20.05.2016, 10:30 Uhr

Die Gründe für den schrumpfenden Tablet-Markt

Der Tablet-Markt schrumpft weiter, vor allem die iPad-Verkäufe brechen ein. Doch es gibt auch noch Segmente, wie die 2-in-1-Produkte mit Windows, deren Absatz wächst.
Noch vor vier Jahren waren Tablets ein absolutes Trendprodukt, im Weihnachtsgeschäft wurden sogar die Geräte bei einigen Herstellern knapp und manche Analysten sahen schon den weitgehenden Ersatz von PCs durch iPad und Co. Doch alles kam anders: Der Tablet-Markt schrumpft seit Ende 2014. Laut den Marktforschern von Strategy Analytics wurden weltweit im ersten Quartal dieses Jahres nur noch 46,5 Millionen Geräte verkauft, das entspricht einem Rückgang um zehn Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Analysten von IDC errechneten sogar nur noch 39,6 Millionen und damit einen Rückgang um 15 Prozent. Das sind die niedrigsten Verkaufszahlen seit dem dritten Quartal des Jahres 2012. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2016 wurden 320 bis 340 Millionen Smartphones verkauft, womit dieser Markt viel grösser ist. Das liegt unter anderem daran, dass Tablets länger genutzt werden als Smartphones. Einmal gekaufte Tablets werden meist für Jahre genutzt. Zumindest die Verkäufe im professionellen Bereich und bei den 2-in-1-Produkten können aber immer noch zulegen und einen Hoffnungsschimmer für manche Hersteller und vor allem Microsoft darstellen. Allerdings machen laut IDC die klassischen Tablets, die auch Media-Tablets genannt werden, immer noch 88 Prozent der weltweiten Verkäufe aus.

Optik nicht so wichtig

Eine Ursache der Misere liegt in der Nutzung dieser Tablets: Sie werden gemäss einer Bitkom-Studie zu 61 Prozent ausschliesslich oder vorwiegend zu Hause verwendet und dienen dort als Gerät zum Surfen und Mailen sowie für den Konsum von Filmen. Für diese Zwecke ist nicht immer die aktuellste Hardware nötig, was die Haltezyklen deutlich steigert. Zudem werden an die Optik und die Gehäusematerialien weniger Ansprüche gestellt als bei einem Smartphone, das man den ganzen Tag bei sich trägt und auch gerne zeigt. Entsprechend schwer haben es gerade hochwertige Geräte wie das iPad inzwischen, sich gegen die Billigkonkurrenz zu behaupten, die bei der Hardware-Ausstattung in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt hat. Dieses dominierende Heimnutzungs-Szenario bringt zudem eine Verschiebung der Segmente mit sich. Denn der Niedergang der 7-Zoll-Grössenklasse beschleunigt sich. Diese wird zudem von vielen Kunden als zu klein für diesen Zweck angesehen und konkurriert auch mit grossen Smartphones, den sogenannten Phablets. Die sinkenden Herstellungskosten für Displays bedingen zudem immer geringere Preisunterschiede zwischen Modellen mit 7 und 10 Zoll. Eine recht populäre Grösse ist inzwischen auch 8,9 oder 9,0 Zoll, dazu gibt es im Highend-Segment auch vermehrt Produkte mit 12 Zoll.

Tablet-Markt: Windows im Vorwärtsgang

Im Gegensatz zum Bereich für Privatkunden legen die Verkäufe im professionellen Segment zu, und das kommt vor allem Windows zugute. Der Absatz von Produkten mit dem Microsoft-Betriebssystem stieg im Jahresvergleich im ersten Quartal um 82 Prozent. Neben Microsoft selbst mit seiner Surface-Serie bieten einige ­weitere Hersteller wie Acer, Lenovo oder Tosh­iba hier Geräte mit Windows 10 an. Diese nehmen immer mehr auch private Nutzer ins Visier. Bei den mobilen Betriebssystemen kommt Windows im ersten Quartal 2016 laut Strategy Analytics auf einen Marktanteil von 13 Prozent, Android stagniert bei 65 Prozent und iOS bei 22 Prozent. Für 2019 prognostizieren die Marktforscher von IDC eine weitere Zunahme des Anteils von Windows vor allem auf Kosten von iOS auf immerhin 18 Prozent. Bei den 2-in-1-Geräten liegt das Microsoft-Betriebssystem laut IDC in Deutschland mit einem Anteil von 95 Prozent bereits einsam an der Spitze. 

Apple verliert

Denn den 2-in-1-Markt bedient Apple noch nicht wirklich, auch wenn es für das iPad Pro inzwischen zumindest eigene Tastaturen als Zubehör gibt. Der US-Hersteller ist besonders von der Krise betroffen und muss im ersten Quartal zum neunten Mal in Folge einen quartalsweisen Rückgang seiner Verkäufe hinnehmen. Das iPad kam in den ersten drei Monaten von 2016 noch auf einen Absatz von 10,3 Millionen Stück. Die 19 Prozent Rückgang im Jahresvergleich sind deutlich mehr als der Durchschnitt im Markt. Ein Trost für Apple: Mit einem Marktanteil von 22,1 Prozent verteidigt man zumindest die Spitzenposition.  Es wird vor allem immer schwieriger, jenseits der treuen Apple-Fans Neukunden zu finden, die bereit sind, die hohen Preise des iPad zu bezahlen. Zudem werden gerade hier ältere Modelle zu selten ersetzt, da die technischen Fortschritte aus Käufersicht zu gering erscheinen. Die deutlich leistungsfähigeren neuen iPad-Pro-Modelle und Preissenkungen bei den Air-Modellen könnten Apple aber helfen, den freien Fall in den nächsten Quartalen aufzuhalten. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Samsung profitiert nicht

Samsung kann am Tablet-Markt nicht davonziehen

Von der Apple-Schwäche kann der Verfolger Samsung allerdings auch nicht profitieren, denn dort lief das erste Quartal noch schlechter: Der Absatz der koreanischen Tablets fiel um 26 Prozent auf 6,5 Millionen Stück, was noch einem Marktanteil von 14 Prozent entspricht. Zumindest gehört Samsung laut IDC zu den ­wenigen Anbietern, die überhaupt noch nennenswerte Stückzahlen von hochpreisigeren Media-Tablets mit An­droid absetzen können. Doch vor allem die Einsteigergeräte leiden unter dem starken Preisdruck durch B-Marken. Mit dem Galaxy TabPro S versucht Samsung jetzt, den Trend zu 2-in-1-Produkten mit Windows aufzugreifen.

Huawei holt auf

Hinter den beiden Marktführern gibt es weiter einen harten Wettbewerb um den dritten Platz, den nicht alle Analysten einheitlich sehen: Laut Strategy Analytics ist Lenovo Dritter, verkaufte aber im ersten Quartal 15 Prozent weniger Geräte und kommt mit 2,1 Millionen Stück nur noch ganz knapp vor Huawei ins Ziel. Die Chinesen gehören, wie auch bei den Smartphones, zu den wenigen Aufsteigern, denn sie konnten 66 Prozent mehr Tablets verkaufen und sich damit ebenfalls auf knapp 2,1 Millionen Stück steigern. Das liegt vor allem an der Nutzung der Carrier als volumenstarker Absatzkanal in vielen Ländern. Mit dem MateBook wagt sich Huawei jetzt zudem auch an sein erstes 2-in-1-Gerät mit Windows. IDC sieht dagegen Amazon mit seinen sehr günstigen Lowend-Tablets auf der dritten Position. Im Gegensatz zu den reinen Hardware-Herstellern kann Amazon seine Produkte durch Aktionen wie eine Prime-Mitgliedschaft quersubventionieren und so die Verkaufspreise weiter senken. Andere Hersteller, darunter auch Microsoft mit den Surface-Geräten, kommen nicht auf Marktanteile über fünf Prozent auf dem Weltmarkt. Hier hat sich bisher kein Verfolger profilieren können, einige Anbieter haben entsprechend ihr Portfolio reduziert oder steigen möglicherweise ganz aus dem Segment aus.

Die Tablet-Segmente im Überblick

Die aktuellen Marktzahlen und -entwicklungen deuten vor allem auf eine künftige Einteilung des Markts in fünf Hauptsegmente:
  • den Lowend-Bereich bis maximal 150 Euro mit günstigen Android-Ta­blets, der stark von No-Name-Produkten sowie Anbietern wie Amazon, die nicht primär mit dem Hardware-Geschäft Geld verdienen müssen, bestimmt­ wird. Zielgruppen sind unter anderem Kinder und Käufer von Zweitgeräten;
  • eine leistungsfähige Mittelklasse zu Preisen bis 300 Euro, die ins­besondere anspruchs­vollere Käufer mit schnelleren Prozessoren, mehr Speicher und höherer Display-Auflösung bedient;
  • einen eher kleinen, aber lukrativen ­Highend-Bereich von leistungsfähigen Media-Tablets mit Displays mit mindestens 10 Zoll Diagonale und sehr üppiger Hardware-Ausstattung; 
  • günstige 2-in-1-Geräte mit Windows für Privatkunden, die Strategy Analytics „günstige Surface-Kopien“ nennt und die zum Beispiel von Herstellern wie ­Alcatel oder Huawei kommen könnten;
  • hochwertige 2-in-1-Produkte mit Windows, die sowohl im professionellen als auch privaten Segment als Laptop-Ersatz dienen können.
Nicht alle Hersteller werden wohl künftig sämtliche Segmente bedienen, deshalb sind weitere deutliche Verschiebungen der Marktanteile wahrscheinlich. Es bleibt also spannend.  



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