Analyse 06.10.2014, 14:32 Uhr

Windows 10 schielt aufs Business

Microsoft besinnt sich auf seine Stärken und krebst zurück: Nicht mehr allein den Kacheln gehört die Zukunft. Eine Analyse von Mark Schröder.
Computerworld-Redaktor Mark Schröder
Die nächste Version des Microsoft-Betriebssystems heisst Windows 10. Statt Windows 9 setzt Microsoft gleich auf Nummer zehn. Der eigentlich angedachte Name «Windows One» wurde verworfen, da das erste Windows schon die Versionsnummer 1.0 trug. Windows 10 soll auch signalisieren, dass Microsoft einen Neustart seiner Betriebssystem-Produkte vor hat. Der Neustart ist ambitionierter als es auf den ersten Blick erscheint. So ist Windows 10 nicht einfach ein neues Windows. Microsoft will alle bisher eigenständigen Betriebssystemvarianten (Windows, Windows Embedded, Windows Phone, Windows RT, Windows Server) zusammenführen. Neben dem Namen wird auch die Plattform vereinheitlicht: Ziel ist, in Zukunft nur noch eine System-Software aktualisieren und pflegen zu müssen. Jede für Windows 10 programmierte Anwendung soll dann auf allen Devices – von der Digitalbrille, dem Smartphone über das Tablet und den Desktop bis hin zum Server – laufen. So der Plan. Ob Microsoft die universelle Plattform letztendlich liefern kann, wird die Zukunft zeigen. Skeptiker glauben, insbesondere die Vereinigung der ARM-Versionen Windows Phone und Windows RT mit den Intel-Ausgaben für x86 sowie x64 wird ein Prüfstein für die Redmonder Software-Ingenieure.

Desktop statt Kachel

Jenseits der universellen Plattform bringt Windows 10 diverse funktionelle Neuerungen mit, die sich unter «Rückkehr des Desktops» zusammenfassen lassen. So kehrt das Startmenü zurück, bekommt eine Erweiterung für Kachel-Bedienelemente und die bisherigen Kachel-Apps lassen sich im Fenster auf dem Desktop öffnen. Statt nur einen Desktop unterstützt Windows 10 künftig diverse Oberflächen, beispielsweise eine fürs Büro und eine zweite für den privaten Gebrauch. Mit diesem Schritt zurück reagiert Microsoft augenscheinlich auf die schleppenden Verkäufe von Windows 8. Den radikalen Wechsel vom Desktop auf die Kachel-Oberfläche haben sich die User weder privat noch im Geschäft diktieren lassen. Für die grosse Masse ist das Arbeiten am PC heute (noch) etwas anderes als das Tippen und Wischen auf Smartphones oder Tablets. Dafür haben sich die User auch an andere Anwendungsszenarien und Betriebssysteme gewöhnt. Ein Windows, das beide Welten vereint, ist mehrheitlich nicht gefragt.

Windows-Lebenszyklus

Im Büro tippt das Gros der Anwender auf einer Tastatur und schubst eine Maus. Eine Kachel braucht hier niemand. Wenn jetzt Microsoft den Desktop mit cleveren Erweiterungen zurück ins Spiel bringt, könnte Windows 10 der veritable Nachfolger von Windows 7 sein. Wir erinnern uns: Am 13. Januar 2015 endet der Mainstream-Support für Windows 7, fünf Jahre später auch der Extended-Support. Wenn Unternehmen in den nächsten Monaten mit der Evaluation von Windows 10 beginnen, sollten bis zum Ende der verlängerten Support-Phase alle heutigen Windows-7-Clients migriert sein. Dafür ist Microsoft allerdings schon jetzt gefordert. Das weiss Redmond offenbar. Für verlässliche Tests benötigen IT-Abteilungen mehr als eine Preview-Version des künftigen Windows, die nicht einmal Beta-Status hat. So versprach Redmond dann auch schon während der ersten öffentlichen Präsentation von Windows 10, die aktuelle Test-Version regelmässig zu aktualisieren. Die erste Beta, wird kolportiert, folgt nach dem Jahreswechsel. Dann können, besser: sollten die Tests beginnen. Auf der nächsten Seite: Das letzte Windows oder das Ende des Fat-Clients?

Das letzte Windows?

Noch ist 2020 ein weiter Horizont. Wer heute akribisch testet, könnte von Microsoft belohnt werden mit einer Plattform für die Zukunft. So zumindest würde es Redmond gerne lesen. Wenn es nach den Plänen Microsofts geht, könnte Windows 10 das letzte seiner Art sein. Der Grund für diese Annahme: Mit dem angekündigten Betriebssystem ändert Microsoft auch die Update-Politik. Funktionelle Erweiterungen werden regelmässig und automatisch eingespielt. Die Kunden haben die Wahl zwischen drei Szenarien: «Consumer Pace», «Near Consumer Pace» und «Mission Critical». Für Privat-User ist «Consumer Pace» konzipiert, aber auch für Geschäftskunden, die allzeit die neuste Software installiert haben wollen, um beispielsweise mit den Verbraucher Schritt zu halten. Das andere Extrem sind geschäftskritische IT-Systeme, die nicht durch Updates blockiert werden können. Hier bietet Microsoft den Administratoren an, die Aktualisierungen bereitzustellen, das Einspielen aber aufzuschieben («Mission Critical»). Dann werden neue Funktionen erst lanciert, wenn die IT ihr Okay gegeben hat. Zwischen den beiden Szenarien sollen Unternehmen zusätzlich die Wahl haben, zum Beispiel einer ausgewählten Benutzergruppe (dem Marketing und Vertrieb) die Updates aufzuspielen, bei anderen (der Finanzabteilung) aber zu blockieren. Eine Ausnahme bilden die Sicherheits-Updates: Wie schon heute werden Patches regelmässig einmal monatlich bereitgestellt. Diese Politik wird für alle Plattformen – vom Smart Display über das Handy bis hin zum Server gelten. Wenn sich Administratoren schon heute ein Bild von der Update-Praxis machen wollen, können sie die ARM-Versionen Windows Phone und Windows RT beobachten. Hier stellt Microsoft neue Funktionen in unregelmässigen Abständen für die User bereit. Sicherheits-Patches kommen hingegen regelmässig wie für die Intel-Plattform. Die ARM-Nutzerschaft ist augenscheinlich eine Testpopulation für Redmond.

Ende der Fat Clients?

Niemals die Beta-Phase verlassen hat der App Store von Windows. Er war und ist heute ein Kompromiss zwischen dem Progrämmchen-Portal für Mobilgeräte und einer professionellen Software-Verteilung. Mit Windows 10 gelobt Microsoft Besserung: Der App Store soll endlich Enterprise-tauglich werden. Redmond plant einen einheitlichen Windows Store für alle User, in dem Faktoren wie Benutzergruppen, Rollout-Pläne und Volumenlizenzen zentral verwaltet werden können. Zusätzlich soll Unternehmen ein firmenspezifischer App Store bereitgestellt werden, in dem sich der Endanwender aus freigegebenen (öffentlichen) und internen Apps bedienen kann. Die Verwaltungswerkzeuge wie System Center und Windows Intune dienen dann auch dazu, App-Freigaben zu steuern und die Auswahl im Store zu limitieren. Mit einem adäquaten App Store könnte Windows 10 nicht nur das letzte Betriebssystem heutiger Art sein, sondern auch die Software-Industrie kräftig aufmischen. Wenn Apps der Standard sind, wie Funktionen am Computer (und auf allen anderen Plattformen) bereitgestellt werden, sind streng genommen keine lokal installierten Programme mehr erforderlich. Die Dateneingabe in eine CAD-Anwendung, ins Kernbankensystem und ins SAP funktioniert jeweils über eine App oder ein Web-Interface. Das ist heute bei einigen Programmen schon Realität, Windows 10 könnte den Weg ebnen für noch mehr Software jenseits des Clients. Windows 10 bietet eine Vorschau auf das, was sich Microsoft unter seinem nächsten Betriebssystem vorstellt. Bis zum allfälligen Verkaufsstart im nächsten Jahr sieht die PC-Welt womöglich wieder anders aus. Dann hat Redmond womöglich aber eine Plattform, mit der die Software-Ingenieure auf neue Entwicklungen rascher als bis anhin reagieren können.



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