ABB, AXA, Roche 22.09.2014, 09:00 Uhr

Wie Schweizer Firmen von Social Media profitieren

Das Marketing kommt an Facebook & Co. kaum noch vorbei. Als zusätzlicher Kommunikationskanal zum Kunden ist Social Media längst etabliert. Das Potenzial von Social Business geht aber weit darüber hinaus.
Schweizer Firmen und Social Media: wie Roche, ABB, AXA oder der Kanton Bern die neuen Kanäle für Geschäftszwecke nutzen
Einen Mehrumsatz von satten 40 Mil­lionen Franken will die Migros mit der Crowdsourcing-Plattform Migipedia erwirtschaftet haben. Zu verdanken hat der Grossverteiler das dem direkten Kanal zum Kunden: Von den rund 60 000 registrierten Usern sind in den vergangenen vier Jahren Ideen für mehr als 50 neue Produkte lanciert worden. «Dank der engen Zusammenarbeit mit den Migros-Industrieunternehmen sind wir in der Lage, schnell auf Kundenwünsche einzugehen», sagt Hansueli Siber, Marketingleiter beim Migros-Genossenschafts-Bund. Der Detailhändler holt sich auf Migipedia aber nicht nur An­regungen für neue Produkte, sondern verbessert auch das bestehende Sortiment. Migros weiss, dass Kundenempfehlungen vertrauenswürdiger sind als klassische Werbung. Ein entsprechendes Gewicht haben die Bewertungen der Verbraucher: Jede Anregung und auch jede Kritik finde den direkten Weg zur verantwort­lichen Person innerhalb der Migros, sagt Siber. Migipedia ist ein Idealbeispiel für die Anwendung von Social-Methoden im geschäftlichen Umfeld: Kunden werden über die neuen Kanäle in den Produktentwicklungsprozess einbezogen, die Meinungen der Verbraucher werden für das Business genutzt und die materiellen sowie personellen Investitionen des Unternehmens zahlen sich in barer Münze aus.

Schwieriger Erfolgsnachweis

Beim Nachweis des kommerziellen Erfolgs von Social-Projekten tun sich Unternehmen hierzulande eher noch schwer. Ein Grund ist die teils lückenhafte Durchdringung der Technologie in den Konzernen selbst. Wie eine Studie der Universität Zürich im Auftrag des Software-Anbieters Lithium ergab, besitzen börsenkotierte Schweizer Firmen mehrheitlich zwar eine Präsenz bei Facebook und Twitter. Diese Kanäle werden jedoch hauptsächlich für die Promotion von Marken, Produkten sowie Dienstleistungen genutzt. Damit ist der wirkliche Nutzen von Social-Methoden allerdings noch nicht erschlossen, merkt der Studienautor und Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Markt­forschung an der Universität Zürich, Professor René Algesheimer, an. Von einer Stichprobe Schweizer Organisa-tionen wollte Computerworld wissen, wie Social-Technologien für die Promotion und das Geschäft tatsächlich genutzt wird. Die fünf Praxisbeispiele zeigen auf, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Facebook & Co. als Spielerei abgetan wurden. Unterdessen gibt es allerorts verantwortliche Manager oder auch eigene Planstellen für das Bewirtschaften der Social-Kanäle und auch firmeninterne Facebooks sind durchaus implementiert. Die nachfolgenden Steckbriefe Schweizer Organisationen zeigen die Bandbreite der aktuellen Social-Durchdringung auf – vom Social Enterprise mit vernetzten Mitarbeitern bis zur simplen Kundeninformation via Facebook.

Axa Winterthur: Social Leads

Die kanalgerechte Bewirtschaftung der üblichen Social-Media-Portale gehört beim Versicherungskonzern Axa Winterthur inzwischen zum Standardrepertoire. «Dem Aussendienst und dem Vertrieb bieten wir Schulungen an, in denen die sinnvolle Nutzung der Plattformen für die Lead-Generierung und Sales aufgezeigt wird», sagt Gaetano Mecenero. Für den Senior Social Media Manager der Axa Winterthur stehen beim Monitoring der Aktivitäten einerseits quanti­tative Kennwerte wie Klicks, Kommentare, Likes und Shares im Vordergrund. Andererseits zählen im Bereich der Services auch Parameter wie
Bearbeitungszeit und Kunden-Feedbacks. Beides wirkt sich nach Auskunft von Mecenero langfristig aus und ist direkt schwer messbar. Im Vertrieb geht das direkter; hier werden selbst­verständlich Abschlüsse und Leads gemessen. «Eine Pilotgruppe mit 50 Versicherungsberatern hat in einem halben Jahr gemeinsam 200 zusätzliche Abschlüsse realisiert», berichtet er. Die Erfahrungen mit Social-Leads spielen die Aussendienstmitarbeiter ihren Kollegen via gruppenweitem Intranet zurück. «Social ist kein Hype, sondern ein Paradigmenwechsel in der Art, wie wir interagieren. Was die Generation Y bereits intuitiv umsetzt, wird sukzessive zum Standard», sagt Mecenero. Das Intranet auf der Basis von IBM Connections unterstützt sowohl die lokale Vernetzung als auch den globalen Austausch. Die Plattform bietet Werkzeuge wie Blogs, Communitys, Newsfeeds und Wikis. So ermöglicht sie sowohl den Dialog mit den Mitarbeitern als auch eine effizientere Zusammenarbeit. Das Portal wird laufend weiter­entwickelt, erklärt der Axa-Winterthur-Manager. Da bis anhin der Zugriff nur am Geschäftscomputer möglich ist, wird aktuell an der Einbindung für mobile Geräte gearbeitet. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Roche & ABB

Roche: Diskussionsforen

Als Pharma- und Diagnostikunternehmen unterliegt Roche den regulatorischen Einschränkungen der Branche, die beispielsweise Pub­likumswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel reglementieren. Im Einklang mit diesen Bestimmungen kommuniziert der Konzern sowohl auf globaler als auch auf Ebene der Ländergesellschaften über gängige Plattformen, darunter Facebook, LinkedIn, Pinterest, Twitter, YouTube und beispielsweise Weibo in China. Zusätzlich betreibt das Unternehmen einige moderierte und zugriffsbeschränkte Diskussionsforen für Patienten wie Diálogo Roche (www.dialogoroche.com.br) in Brasilien. Die Messung geschieht nach Auskunft des Konzerns zum Beispiel mit wettbewerbs­vergleichenden Benchmarks, quantitativen Erhebungen von Followern, Klicks und Shares. Bei Kampagnen können beispielsweise das Erreichen vorab definierter Zielgruppen oder die Verweildauer der Nutzer auf einer Seite mög­liche Messgrössen sein. Daneben wird die Rückmeldung der Verbraucher als Vorteil angesehen, erklärt Roche. Aber auch unternehmensintern verbreiten sich Social-Methoden: Mittels interner Social-Plattformen bilden die Mitarbeiter die von ihnen benötigten Netzwerke, um mit Kollegen über Abteilungen sowie Standorte hinweg zusammenzuarbeiten. Dafür sind unter anderem Chatter, Google+, Jive, SharePoint und eine Kommentarfunktion für das Intranet in Betrieb.

ABB Schweiz: 3 Jahre Erfahrung

Die Schweizer Niederlassung des Industrie­konzerns ABB sieht sich als B2B-Unternehmen punkto Social Media «sehr breit und gut auf-gestellt». Für Digital Communications Managerin Alexandra Hinz liegt nach eigener Aussage die Herausforderung bei der Bewirtschaftung der verschiedenen Kanäle vor allem darin, die Inhalte möglichst medienspezifisch aufzube­reiten. Mittlerweile hat der Konzern drei Jahre Erfahrung auf den neuen Kanälen. Die Erfolgsmessung geschieht hauptsächlich quantitativ. Für den firmeneigenen Blog ist zum Beispiel Google Analytics in Betrieb, was Rückschlüsse auf die Verweildauer zulässt. Weiter sind Dienste wie Argus, HootSuite und Twitter Counter in Gebrauch. «Es gibt aktuell leider noch keine Tools, die verlässliche qualitative Auswertungen ermöglichen», bemängelt Hinz. Andererseits weiss sie: «Social macht die Kommunikation lebendiger und vielfältiger – aber auch anspruchsvoller und mitunter zeitaufwendiger.» Zeit einsparen können die Angestellten von ABB Schweiz durch eine effizientere interne Kommunikation und Zusammenarbeit. Dafür nutzt das Unternehmen Office 365 inklusive der Telekommunikationslösung Lync und der Social-Erweiterung Yammer. «In Yammer-Gruppen, die quasi als Knowledge-Pool dienen, finden Projektarbeiten statt», führt die Managerin aus. Mit Kunden und Partnern seien die Kollegen in erster Linie auf Projektebene verbunden. Für den Austausch und Projekt-Updates würden SharePoint, Wikis und ebenfalls Yammer rege genutzt. Künftig sind nach Aussage von Hinz auch projektspezifische Chats und Videocalls angedacht.

Staff Finder: Social Recruiting

Die Personalverleihagentur Staff Finder ist ausschliesslich im B2B-Geschäft aktiv. Die Zürcher sind seit drei Jahren hierzulande am Markt. Das Unternehmen baut einen grossen Teil seines Geschäfts auf Facebook auf: «Unsere sehr populären deutschen und französischen Facebook-Pages sind unser wichtigstes Rekru­tierungs-Tool für die Arbeitnehmer», erklärt Johanna Seeger, Head of Marketing bei Staff Finder. Der Personalverleih läuft anschliessend komplett über die unternehmenseigene Webseite ab. Dabei ist das Matching zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit einer Partnervermittlungsplattform vergleichbar. Die Partner können über die Onlineplattform in Kontakt treten, zusätzlich unterstützt eine App die Echtzeitkommunikation, wie es aus Social Media bekannt ist. Die Erfolgskontrolle durch Staff Finder geschieht grösstenteils mit den Analytics-Tools von Facebook und Google. Mittlerweile sieht Seeger aber das Ende der Fahnenstange erreicht: «Durch zu viel Beschallung auf unterschiedlichen Kanälen findet mittlerweile eine Reizüberflutung statt.» Die Kunden würden wieder leiser und reagierten nicht mehr so stark auf Kontaktaufforderungen. Damit werde der Nutzen von Social Media konterkariert. Seegers Kollegin, Marketing Assistant Carol Hämmig, ist mit ihrer Chefin auch privat auf Facebook befreundet. «Die Vernetzung führt teils zu einem stärkeren Teamzusammenhalt», meint sie. Anstatt kostspieliger kommerzieller Lösungen nutzt Staff Finder die Social-Plattformen auch für die interne Kommunikation und Zusammenarbeit. «Den Facebook-Chat oder Skype nutze ich oft, um mit den Kollegen zu sprechen, wenn sie unterwegs sind», berichtet Hämmig. Die Gründe sind pragmatisch: Die Mitarbeiter sind auf den Plattformen sowieso präsent, Chat ist direkter sowie schneller als E-Mail und die meisten Funktionen sind kostenfrei. Die Kehrseite der Offenheit: «Einige Aspekte meines Privatlebens möchte ich gar nicht mit meinen Kollegen teilen», sagt die Marketing-Fachfrau. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kanton Bern

Kanton Bern: bürgernah

Die Verwaltung des Kantons Bern möchte nach Aussage von Christian Kräuchi mit den Auftritten auf Facebook, Google+, Twitter und YouTube der «Bevölkerung einen echten Mehrwert bieten». Der Leiter Kommunikation ist neben den traditionellen Medien auch für die deutsch- und französischsprachigen Inhalte in den neuen Kanälen verantwortlich. «Social Media ergänzt und bereichert die interne und externe Kommunikation», resümiert er. Für Kräuchi erlauben es Facebook & Co., in den Dialog mit den Bürgern zu treten, Tipps zu geben, einen Blick hinter die Kulissen der kantonalen Politik und Verwaltung zu gewähren und Hintergrundwissen zu aktuellen Themen zu vermitteln. «An Twitter schätze ich die schnelle Reaktionsmöglichkeit, von der wir schon profitiert haben, als die Wahlen-Internetseite kurzzeitig ausfiel», sagt der Kommunikationschef. Generell misst der Kanton den Erfolg seiner Aktivitäten durch ein monatliches Reporting über die Besucher sowie Follower und die Interaktionen mit den Bürgern. Verwaltungsintern besitzt der Kanton nach Aussage von Kräuchi eine Collaboration-Plattform für die Angestellten. SharePoint werde für den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit verwendet – nach dem Vorbild von Social-Tools wie Facebook oder SlideShare.

Fazit: «Gefällt mir!»

Die Stichprobe führt vor Augen, dass Social-Anwendungen für Geschäftszwecke bei Schweizer Unternehmen und Organisationen durchaus verbreitet sind. Die Methoden und Paradigmen von Facebook & Co. etablieren sich auch jenseits der Kommunikations- und Marketingabteilungen. Eine vollständige Durchdringung des Business mit Social-Elementen ist jedoch noch selten. Oliver Giering, Analyst bei der Experton Group, wünscht sich, dass die Firmenverantwortlichen noch einen Schritt weiter gehen: «Die Implementierung von Software mit Social-Funktionen sollte Einzug in die Unternehmenswelt halten, um damit einen Mehrwert für sich, die Gesellschaft und das Geschäft schöpfen zu können.» Dafür müsse ein detailreicheres Verständnis geschaffen werden, das über Facebook-Seiten hinausgehe und insbesondere die Kommunikations- und Interaktionsmuster in den Unternehmen beträfe. Giering ist sich sicher, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist, denn die aus dem Privatleben bekannten Social-Technologien würden die Unternehmenskultur künftig nachhaltig prägen. Dem klugen CIO rät der Experte, sich mit der Grundeinstellung «Gefällt mir!» in Social-Projekten zu engagieren.
IDG Analytics: Monitoring-Service für Social Media
Kunden und Verbrauchern stehen heute viele Kanäle zur Verfügung. Für die Anbieter ist es deshalb wichtig zu wissen, was über sie und ihre Produkte in Blogs, sozialen Netzwerken, Foren oder auf Newsportalen verbreitet wird. Nur wer zeitnah auf Kritik oder Vorschläge reagiert, kann Schaden vom Unternehmen abwenden und sich einen Konkurrenzvorteil sichern. Eine manuelle Überwachung ist praktisch unmöglich. Unser Service «IDG Analytics Plus» übernimmt für Sie das Monitoring.
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Beratung: Unser Leiter Marktforschung, Janis Berneker, berät Sie gerne persönlich: - Tel.: 044 387 44 36, - E-Mail: analytics@idg.ch Info: Eine detaillierte Leistungsübersicht steht auf:  www.idg-analytics.ch



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