Strategiewechsel 27.06.2013, 11:48 Uhr

Larry Ellisons neuer Kuschelkurs

Oracle-Chef Ellison geht auf Kuschelkurs zu Microsoft, Salesforce und Netsuite. Er muss, denn die Aktie rauscht in den Keller. Oracles Gesamtstrategie geht nicht richtig auf.
Oracle-Chef Larry Ellison schaltet neuerdings von Konfrontation auf Kooperation.
Oracle-Chef Larry Ellison partnert neuerdings mit Microsoft. Schwerter zu Pflugscharen sozusagen, um den Markt gemeinsam besser beackern zu können. Seit Monaten faselt Ellison von der ersten, echten Cloud-Datenbank daher (gemeint ist das neue Oracle Datenbank-Release 12c). Jetzt wird klar, warum? Um sie Steve Ballmer, also der Microsoft-Cloud Windows Azure, leichter unterschieben zu können.

Microsoft als Huckepack-Esel

Ellison hat seine 12c Microsoft-ready gemacht. Die eigene Oracle-Cloud kommt nicht so richtig aus den Startlöchern. Jetzt soll Microsoft als Huckepack-Esel dienen. Denn im Gegensatz zu Oracle hat Microsoft mit Windows Azure bereits eine Cloud-Plattform am Markt etabliert und vermarktet SQL Server, Windows Server und System Center ab sofort als "Betriebssystem der Cloud". Immerhin hat auch Redmond was von dem Deal mit Ellison. Microsoft kann sich demnächst mit dem Kronjuwel der Branche schmücken: der industrieweit ersten Multitenant-Datenbank Oracle 12c. Clever eingefädelt also, scheinbar eine Win-win-Situation. Aber dem erfolgsverwöhnten Oracle-Chef bleibt auch gar nichts anderes übrig. Er steht mit dem Rücken zur Wand - zumindest gefühlt. Seine Hardware-Abverkäufe (ehemals Sun Microsystems) rutschen seit Jahren zweistellig ins Minus. Von den Appliances Exadata, Exalogics und Exalytics - den sogenannten "Pre-engineered Systems" - verkauft sich eigentlich nur die Datenbank-Appliance Exadata so richtig gut. Und Ellisons grosse Cloud-Initiative, die Fusion Business-Apps, wird von den Kunden nur zögerlich angenommen. Oracle hat sich das selbst zuzuschreiben. Die Technologie überzeugt zwar, aber aggressives Marketing und ein rüder Umgangston halten die Kunden auf Abstand. Das Vertrauen fehlt.

Larry Ellison - König von Oracle

Folgerichtig schaltet Larry Ellison, König von Oracle, jetzt von Konfrontation auf Kooperation. Das hätte dem egozentrischen Genie aus Redwood Shores niemand zugetraut, und sicher soll sein Beispiel im Unternehmen Schule machen. Jetzt wird auch Busenfeind Marc Benioff, Chef des Cloud-Pioniers Salesforce, heiss und innig umarmt. Beide Unternehmen treten heute (Donnerstag, 27 Juni) vor die Presse, um einen Neun-Jahresvertrag zu feiern. Die mutmasslichen Kernbestandteile des Vertrages: Salesforce wird sein Cloud-CRM auf Oracles Hard- und Software "standardisieren" (Linux, Datenbank, Exadata). Oracle wiederum integriert Salesforce-Software in sein Cloud-Business-Portfolio. Diese neue Einigkeit kommt völlig überraschend: Auf der Oracle Open World 2011 hatte Ellison den eigentlich eingeladenenen Benioff noch mit einem kräftigen Fusstritt zurück auf die Strassen von San Francisco befördert. Kann sich jemand wie Ellison eigentlich glaubhaft ändern? Das Zusammenspannen mit Microsoft zumindest gleicht eher einer Sprengstoff-Allianz. Oracle kommt mit seiner Cloud nicht von der Stelle, Microsoft wähnt sich nicht erfolgreich genug. Insofern macht Einigkeit vielleicht stärker. Aber: Mit Oracle Java und Microsoft .NET (Visual Basic, C#) stehen sich zwei ideologische Programmierer-Welten unversöhnlich gegenüber. Zudem passt Oracle Linux nicht zu Microsoft Windows, und Oracles breit gefächertes Cloud-Fusion-Apps-Portfolio schiebt Microsofts Ambitionen Richtung Business-Software-Markt einen riesigen Riegel vor. Wo wird es zuerst krachen? Microsoft ist für Oracle nur der Esel, der den Krug zum Brunnen schleppen soll.

Salesforce: Bruderkuss mit Dolch

Auch punkto Salesforce sitzt, nach dem Bruderkuss mit Benioff, der Dolch wohl schon locker in der Scheide. Salesforce zählt etwa 100.000 Cloud-Kunden. Laufen 10 Prozent, geködert mit Super-Sonderangeboten, zu Oracle über, wären das immerhin 10.000. Cloud-Kunden, die der grosse Bruder und Seniorpartner Oracle dringend braucht, sollen die milliardenschweren Aufkäufe der letzten Jahre endlich nennenswerten Mehrwert abwerfen.



Das könnte Sie auch interessieren