Exportrisiko-Monitor 07.04.2016, 16:09 Uhr

Alles nicht so schlimm?

Viele Schweizer Unternehmen erwirtschaften einen hohen Anteil ihres Umsatzes durch Export. Der Exportrisiko-Monitor von Euler Hermes zeigt, was die Geschäfte bremst.
Ein Grossteil der Schweizer Unternehmen exportiert seine Produkte und Dienstleistungen ins Ausland. Der Kreditversicherer Euler Hermes und die Berner Fachhochschule haben daher zum zweiten Mal in Folge über 300 exportorientierte Unternehmen (hauptsächlich KMU) nach ihren Exportrisiken befragt. Im Vorjahresvergleich hat sich gezeigt, dass viele Erwartungen der hiesigen Unternehmen in der Tat bestätigt wurden: Wie etwa Exporteinbussen durch den starken Schweizer Franken, vor allem in den Euroländern.
Andere Erwartungen haben sich hingegen nicht bestätigt. So hat der prognostizierte starke Anstieg der Exporte nach China (anhaltende Krise/verlangsamte Konjunktur) oder in die Golfstaaten (niedrige Ölpreise) nicht stattgefunden. Exporte nach Grossbritannien und in die USA (stabile Pfund- und Dollar-Wechselkurse) haben hingegen stark zugenommen. Man kann also sagen, dass die Voraussagen manchmal einem Blick in die Milchglaskugel gleichen. «Vorausschauend ist es positiv, dass die Unternehmen für dieses Jahr einen stabilen bis leicht wachsenden Export in erwähnte Länder erwarten», sagt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz.

Währungs- und Kreditrisiko

Trotzdem sind viele Firmen auch 2016 wieder von Risiken im Export betroffen. Wie im vergangenen Jahr wird durch die befragten Firmen die Risikolage in Afrika, Russland und Südamerika als hoch eingeschätzt, aber auch jene in Brasilien, der Türkei und den Golfstaaten. Die Top-3-Exportrisiken aus Sicht der Unternehmen bilden das Währungsrisiko sowie konjunkturelle und Delkredere-/Kreditrisiken. 96 Prozent gehen davon aus, dass sie 2016 (2015: 87%) von Währungsrisiken betroffen sein werden. 22 Prozent sagen, dieses Risiko wird weiter zunehmen. Von konjunkturellen und Kreditrisiken sehen sich 83 und 57 Prozent betroffen. Hinzu kommen politische, interkulturelle und Sicherheitsrisiken und solche hinsichtlich fehlender Rechtssicherheit. «In den nächsten 12 Monaten erwarten Schweizer Exportunternehmen vor allem eine Zunahme der konjunkturellen (+35%) und politischen (+31%) Risiken», sagt Dr. Paul Amman, Leiter Executive MBA der Berner Fachhochschule.  Nächste Seite: Regulatorische Barrieren

Regulatorische Stolpersteine

Aufträge wurden nicht nur wegen des starken Frankens, sondern auch aufgrund regulatorischer Auflagen verloren. Im Ausland vornehmlich aufgrund von Sanktionen gegen Russland, wegen des Iran-Boykotts oder der Einfuhrzölle in Südamerika. Auch technische Hürden und Zertifizierungsauflagen hemmten das Business. Zudem standen inländische Vorgaben den Geschäften im Weg, wie etwa der grosse Aufwand bei der Verzollung, die Exportkontrolle oder die neue Swissness-Gesetzgebung. Angst haben exportierende Unternehmen auch vor dem eventuellen Wegfall der bilateralen Verträge aufgrund der Masseneinwanderungs- und Durchsetzungsinitative. 63 Prozent der Teilnehmer bereitet sich trotzdem nicht auf eine Situation ohne bilaterale Verträge vor.

Alles sowieso nicht so tragisch, sagt Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. Auch wenn die Exporteinbussen 2015 bei rund 5,5 Milliarden Franken lagen, «2016 können Schweizer Exportunternehmen zumindest die Hälfte wieder aufholen.» Euler Hermes erwartet zusätzliche Exportgewinne in Höhe von 2,5 Milliarden Franken. Wer zudem beispielsweise nicht nach China oder Grossbritannien (drohender Brexit) exportiere, müsse sich auch keine allzu grossen Sorgen bezüglich dieser Länder machen, meint Subran. Mitunter jammern Schweizer Unternehmen also auf hohem Niveau. Euler Hermes geht ausserdem beispielsweise für Brasilien und Russland wieder von etwas stabileren Exporten und einer Entspannung in Europa aus und erwartet ein Exportwachstum für die Golfregion und die USA (siehe Grafik 1). Auch Indien ist ein riesiger aufstrebender Markt. Nach Branchen ist ein leichtes Wachstum in fast allen Segmenten und Zonen zu erwarten (Grafik 2). Das Risiko bleibt überall in etwa gleich, nur im Bereich IT-Services verschärft es sich etwas (Grafik 3).

Absicherungsmassnahmen

Hauptmassnahmen zur Absicherung von Währungsrisiken seitens der Unternehmen sind der Einkauf im Ausland, Kostensenkungen sowie Rechnungsstellung in CHF/USD/Euro. Zudem nimmt die Verlagerung ins Ausland stark zu (Grafik 4). Obwohl die hohen Schweizer Preise in vielen Branchen schon länger ein Problem darstellen, erhöht ein Grossteil der Unternehmen die Preise sogar noch, um die Aufwertung des Franken abzufedern: 40 Prozent können 50 Prozent an die Kunden weitergeben. 21 Prozent geben gar 80 Prozent der Aufwertung an die Kunden weiter. Vor allem, weil sie gute Beziehungen zu ihren Kunden pflegen.
Auch das Kriterium «unsere Produkte sind einzigartig» wird von 73 Prozent in die Waagschale geworfen. Hier dürfte Vorsicht geboten sein. Laut unserer jährlichen Umfragen SwissIT und Top500 beispielsweise ist einer der grössten Bremsklötze fürs Geschäft regelmässig das schrumpfende Budget der Kunden. Trotzdem wird bei der Frage nach Gegenmassnahmen eine Preissenkung immer am wenigsten genannt. Sicherlich ist es branchen- und produktabhängig, doch auf Einzigartigkeit und Swissness sollte man sich nicht nur verlassen. Die ausländische Konkurrenz schläft nicht und viele Disruptionen kommen eben auch nicht aus der Schweiz. Nächste Seite: Mehr Geld für Innovationen

Ohne Innovation geht nichts

Konjunkturellen Risiken will man vor allem durch neue Produkte und Innovationen begegnen (Grafik 5). Hier darf nicht an der falschen Stelle gespart werden. Laut unserer jüngsten SwissIT-Umfrage fehle nämlich gerade für Innovationen Geld, Zeit und Personal (vgl. auch Artikel Seiten 44-48 der heute erschienenen SwissIT-Spezialausgabe). «Unternehmen sind derzeit nicht wirklich bereit für Innovationen zu zahlen», bestätigt Subran – sie müssten viel investieren, haben auch aber viel zu verlieren, so der Ökonom. Doch: «Ohne Innovationen gehen wir unter», warnt Stefan Ruf. Dasselbe oder gleich gute Produkt kauft der Kunde letztlich bei dem, der es günstiger anbietet.
Gegen Kreditrisiken ist in Schweizer Unternehmen die Vorauszahlung das Hauptinstrument. 41 Prozent werden zudem die Bonität ihrer Kunden in Exportländern abklären, bevor sie etwas liefern. Die Vorauszahlung ist für 71 Prozent gleichzeitig die wichtigste Massnahme beim Umgang mit dem politischen Risiko. Die Umfrage 2016 hat bestätigt, dass die Unternehmen sehr pragmatisch vorgehen und meistens traditionell bekannte Absicherungsmassnahmen einsetzen, wie beispielsweise die Vorauszahlung und das Akkreditiv (Übersicht aller Massnahmen Grafik 6). Kurzfristig sei dieses Vorgehen gut, schreiben die Studienverfasser. Es wäre allerdings empfehlenswert, dass Unternehmen prüfen, ob mittelfristig andere, kundenfreundlichere Absicherungsmassnahmen eingesetzt werden könnten.
Der detaillierte Bericht zur Studie lässt sich hier downloaden.



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