CIOs 12.07.2013, 13:30 Uhr

Führungsetage statt Rechenzentrum

Die allgegenwärtige Technologie macht den CIO zum Ansprechpartner für jegliche Belange des Business. Jörg Winkelmann von Center for CIO Leadership skizziert die neuen Rollen des IT-Chefs.
Jörg Winkelmann vom Center for CIO Leadership entwickelt die Rolle des IT-Chefs weiter
Von der IT getriebenen Transformationsprojekte werden heute häufig von CEOs massgeblich beeinflusst. Viele CIOs antizipieren dies nicht rechtzeitig und nehmen damit ihre Führungsrolle auf den Chefetagen noch zu wenig wahr, meint Jörg Winkelmann von IBMs Center for CIO Leadership. In dem Center arbeitet er mit weltweit rund 3000 IT-Leitern an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Rolle des CIOs. Im Gespräch mit Computerworld skizziert Winkelmann die heutigen und künftigen Herausforderungen. Computerworld: Welche Kompetenzen braucht ein moderner CIO? Jörg Winkelmann: Für CIOs heute sind drei Themen entscheidend: Erstens sind viele CIOs dafür verantwortlich, dass das Licht brennt. Sie müssen sicherstellen, dass die Infrastruktur läuft und für das Geschäft zur Verfügung steht – Operations und Service. Gleichzeitig wird von ihnen verlangt, Innovation voran zu treiben, was allenfalls die Infrastruktur in Frage stellt. Ein Beispiel ist Cloud Computing mit bedarfsabhängiger Abrechnung. Hinzu kommt, dass Innovation für das Geschäft häufig von den Fachbereichen ausgeht und nicht von der Informatik. Ein Grund ist die historische Aufgabe der IT: Die Technologie wurde hauptsächlich im Back Office genutzt. Mittlerweile fordern Themen wie Mobile und Social den Einsatz von Technologie im Front Office. Heute ist daher vermehrt die Zusammenarbeit mit den übrigen Geschäftsbereichen erforderlich. Das zweite Thema kreist also um Innovation und Kooperation. IT-Leiter mit primär technischer Ausbildung müssen lernen, die Sprache der anderen Abteilungen zu sprechen, um dortige Bedürfnisse zu antizipieren und zu befriedigen. Jedoch müssen auch die anderen C-Level-Kollegen auf den CIO zugehen. Teilweise wird diesen Gesprächen aus dem Weg gegangen, indem etwa das Marketing selbst Technologie einkauft, grösstenteils über Agentur und als «Blackbox». Die Anwendungen laufen dann häufig abseits der eigentlichen Infrastruktur. Sie sind häufig nicht kompatibel mit der Anwendungslandschaft im Unternehmen oder können sogar zum Risiko werden. Sie sprachen von drei Schlüsselkompetenzen. Das dritte Thema schliesst bei der Sicherheit der Systeme an: Früher entstanden Risiken Hauptsächlich aus den einzelnen Anwendungen von Technologie. Zum Schutz genügten Firewalls und Viren-Scanner. Sie sind heute Commodity wie das Licht. Heute durchzieht die IT das gesamte Unternehmen und ist häufig wesentlicher Teil der Geschäftsmodelle. Der IT-Leiter muss sich bewusst werden, dass die Sicherheit seiner Systeme erfolgskritisch ist. Dafür muss ein unternehmensweites Risiko-Management implementiert werden, über das bestenfalls der CIO – etwa in einer Rolle als Chief Risk Officer – selbst wacht. Welches ist die grösste Herausforderung für den CIO von Morgen? Das Schaffen von Mehrwert für das Geschäft. Dieser Mehrwert kann auf viele Arten erreicht werden. Eine wirksame ist der Kontakt mit den Kunden. Hier sind nicht die Kollegen aus den Fachbereichen gemeint, sondern die Personen, die Waren und Dienstleistungen des Unternehmens erwerben und konsumieren. Verbraucher bestimmen heute oft neue Entwicklungen und wohin die Reise eines Unternehmens geht. CIOs gehen noch zu selten aus dem Haus und fragen die Bedürfnisse der Konsumenten ab. Wer sich aber quasi an der Basis umhört, wird auf Mängel aufmerksam und erkennt auch, warum eigene Produkte vom Markt nicht angenommen werden. Bei einer Recherche kommen dann viele Themen zusammen, etwa Social und Big Data und Analytics. Dann ist der IT-Leiter mit seinem technischen Hintergrund derjenige, der aus den Markttrends Vorteile für das Geschäft entwickeln kann. Welche Themen stehen für Schweizer CIOs aktuell an? Die deutschsprachigen CIOs stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie ihre Kollegen weltweit. Hierzulande lässt sich allenfalls etwas Zurückhaltung bei neuen Technologien beobachten, beim Antizipieren wie auch beim Adaptieren. Beim Risiko-Management und bei der Sicherheit sind Unternehmen in Europa sicher besser aufgestellt als diejenigen jenseits des Atlantiks. Allerdings spielen hier auch striktere gesetzliche Vorschriften und die andere Kultur eine Rolle. Das sieht man auch an den gesellschaftlichen Diskussionen in Europa, die die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Datenleaks ausgelöst haben. Nächste Seite: die NSA und Cloud Computing Könnte die NSA-Problematik ein frühzeitiges Ende der Public Cloud bedeuten? Nein, das glaube ich nicht. In der Geschichte ist mir kein Fall von missbräuchlicher oder schädlicher Nutzung von Technologie bekannt, der zur Ächtung der Technologie geführt hätte. So wird auch der NSA-Fall die Technologie nicht beeinflussen.
Jedoch erwarte ich eine neue gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Datenschutz, mit der Sicherheit und den Sensibilisierung der Nutzer von Computern. Hier kann oder besser muss der CIO seinen Teil beitragen. Er soll die Angestellten befähigen, darauf zu achten, dass mithilfe der Technologie weder sich selbst noch anderen noch der Firma Schaden zugefügt wird. Das kann schon bei den Schulungen für berufliche Aktivitäten in sozialen Netzen beginnen. Technologie ist heute die kleinere Herausforderung, das Change Management für den geschäftsfördernden Einsatz von Technologie die eigentliche Schwierigkeit. Was leisten die CIOs? In vielen Organisationen kommt Informationstechnologie für das Geschäft auf einem sehr hohen Niveau zum Einsatz. Dafür zeichnet sich der CIO hauptsächlich verantwortlich. In dieser Rolle ist er schon der Business Leader. Bei anderen Anforderungen muss er noch in diese Rolle schlüpfen. Allerdings dokumentiert auch eine Vereinigung wie das Center for CIO Leadership, dass die IT-Leiter bei sich noch Entwicklungsbedarf erkennen. Muss ein moderner CIO zwingend Informatik studiert haben? Das glaube ich nicht. Für den modernen IT-Leiter zählt es viel mehr, die Auswirkungen neuer Technologien auf das Business zu verstehen als nur die Technologie selbst. Ein CIO muss nicht zwingend wissen, wie die MIPS entstehen. Wie alle Studiengänge bildet aber auch die Informatik nicht für einen Job aus. Vielmehr befähigt das Studium die Absolventen, komplexe Zusammenhänge zu erfassen, zu analysieren und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das kann man eigentlich in jedem modernen Studiengang erlernen. Für den CIO heute entscheidend ist die Kommunikation mit den anderen Unternehmenssparten. Nur so erkennt er, wie die IT dem Geschäft helfen und es bestenfalls voranbringen kann.



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