10.06.2011, 08:10 Uhr

Bin ich ein guter Chef?

Wenn Sie sich hie und da diese Frage stellen, sind Sie bereits auf dem besten Weg, ein guter Chef zu werden.
Bild: Fotolia
Weil Sie angefangen haben, diesen Beitrag zu lesen, haben Sie zumindest schon Ihren guten Willen bewiesen, ein guter Chef zu sein. Wahrscheinlich klappern Sie beim Versuch, die Frage zu beantworten, im Kopf vergangene Episoden ab, blicken zurück, wie Sie in gewissen Situationen reagiert haben, und überlegen, ob Sie es hätten besser machen können. Möglicherweise «überschreiben» Sie auch Ihre Erinnerungen und stellen sich etwas vorteilhafter dar, als Sie gewesen sind. Auf diese Weise überprüfen wir uns laufend und bilden so mit der Zeit unseren Charakter als Chef. Nun könnten Sie diese Frage aber noch viel effizienter stellen, nämlich so, wie es die moderne Hirnforschung nahelegt. Die Frage lautet dann: «Woran erkenne ich, dass ich ein guter Chef bin?» Was das mit Hirnforschung zu tun hat, werde ich gleich noch darlegen. Zuerst möchte ich aber, dass Sie dieser anderen Formulierung der Frage etwas nachspüren. Wenn Sie sich fragen, ob Sie ein guter Chef sind, dann widmen Sie sich damit dem Problem: Bin ich gut? Wenn Sie aber fragen, woran Sie merken, dass Sie ein guter Chef sind, dann widmen Sie sich der Lösung. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Bei der zweiten Formulierung gehen Sie davon aus, dass Sie schon gut sind, die Frage ist nur, woran Sie das merken.
Computerworld-Sonderausgabe «Swiss CIO»
Dieser Artikel stammt aus der Computerworld-Spezialausgabe «Swiss CIO», die ab sofort erhältlich ist. Computerworld gibt der Schweizer IT-Elite mit dieser Sonderausgabe eine neue Plattform. Beispielsweise spricht Karl Landert, CIO der Credit Suisse, in einem grossen Interview über Führungsstile, seine steile Lernkurve beim Investment Banking und über den richtigen Umgang mit unrealistischen Forderungen. Ausserdem präsentiert Computerworld die CIOs der 50 grössten Schweizer Unternehmen im Kurzporträt. Die Computerworld-Spezialausgabe «Swiss CIO» können Sie auch als Einzelheft zum Preis von 9.80 Franken (exkl. Versandspesen) online auf Computerworld.ch bestellen. Auf der nächsten Seite: Woran merken Sie, dass sie gut sind?

Woran merken Sie, dass sie gut sind?

Gehen wir einen Moment dieser Frage nach. Woran würden Sie merken, dass Sie ein guter Chef sind? Und nehmen wir gleich eine zweite Frage dazu: «Wie reagieren Sie darauf?» Nehmen Sie sich ruhig ein paar Minuten Zeit, diesen beiden Fragen nachzugehen, die Zeit ist bestens investiert. Stellen Sie sich also vor, Sie sind – oh Wunder – der perfekte Chef und nun fragen Sie sich, woran Sie das merken. Sie erzeugen dabei Vorstellungen in Ihrem Gehirn und bahnen so neue Denkpfade. Vielleicht merken Sie es schon früh am Morgen, wenn Sie das Büro betreten: Die Mitarbeiter sind freundlich zu Ihnen, sind aufgestellt, es herrscht eine lockere Atmosphäre. Wie reagieren Sie darauf? Sind Sie ebenfalls freundlich oder lässt Sie das kalt? Stellen Sie sich eine Sitzung vor: Das Klima ist aufgeräumt, die Mitarbeiter reden angstfrei, bringen sich spontan und kreativ ein, stellen auch Unangenehmes vertrauensvoll zur Diskussion. Wie reagieren Sie darauf? Ein anderes Beispiel: Es stehen sehr unangenehme Entscheidungen an, die Stimmung ist gedrückt, aber Sie merken, dass die Mitarbeiter zu Ihnen stehen (Sie sind ja ein guter Chef!), wie reagieren Sie auf die gedrückte Stimmung? Diese Art zu fragen, nennt sich «Lösungsfokussierung». Erfunden wurde sie von den amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Sie hatten aufgehört, mit ihren Klienten lange über Probleme zu reden, und stattdessen angefangen, über Lösungen nachzudenken. In der Schweiz hat sich vor allem Peter Szabo, in Deutschland haben sich Mathias Varga von Kibed und Insa Sparrer darum gekümmert, diesen therapeutischen Ansatz auf den Business-Kontext umzumünzen. Die Idee hat im zeitgemässen Coaching grossen Anklang gefunden. Lösungsfokussierung ist aber nicht nur ein guter Trick für moderne Trainer und Coaches, lösungsfokussiertes Denken ist im Grunde eine Haltung. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein sagt: «Die Lösung erkennt man am Verschwinden des Problems.» Oder anders gesagt: Wenn die Lösung da ist, verschwindet das Problem. Die Lösung ersetzt das Problem. Also widmen wir uns konsequent der Lösung. Auf der nächsten Seite: Wundersame Verwandlung per Priming

Wundersame Verwandlung per Priming

Nun habe ich eingangs gesagt, diese Art der Fragestellung sei effizient und die moderne Hirnforschung belege das. Unser Gehirn hat eine phänomenale Fähigkeit: Wir können uns ein Bild davon machen, wie es in Zukunft sein soll. Ist dieses Bild stark genug, wird unser Gehirn seine Prozesse so auslegen, dass die vorgestellte Wirklichkeit eintritt. Wenn Sie sich also in Ihrer Fantasie vorstellen, dass Sie von Ihren Mitarbeitern als guter Chef empfunden werden, und Sie sich dieses Gefühl und dieses Bild immer wieder bis in die kleinsten Details vor Augen führen, dann werden in diesem Moment in Ihrem Gehirn neue Synapsen gebildet, neue Verbindungen von Neuron zu Neuron und neue Pfade angelegt. Je öfter Sie diese Pfade betreten, umso breiter werden sie. Wenn nun ein Problem auftaucht, werden genau die Neuronen feuern, die Lösungen anzubieten haben, nämlich diejenigen, die Sie vorher mit Ihrer Fantasie zu komplexen Bildern angeregt haben. Die Hirnforschung nennt dieses Pfaden «Priming». Dessen Wirksamkeit ist in der Forschungsliteratur eindrücklich belegt. So konnte man in einem Experiment sogar körperliche Auswirkungen des Primings beobachten: Eine Gruppe älterer Leute beschäftigte sich ein paar Wochen lang damit, sich 20 Jahre jünger zu fühlen. Sie hörten nur noch Musik aus jener Zeit, trugen Kleider im Stil von damals, erinnerten sich an ihr früheres Freizeitverhalten und nahmen es wieder auf. Sie taten alles, um die Zeit vor 20 Jahren zu simulieren. Nach ein paar Wochen waren sie nicht nur viel fitter, sogar ihre Fingerknochen begannen wieder zu wachsen, entsprechend dem Alter, in das sie sich zurückversetzten (die Länge der Fingerknochen nimmt mit dem Alter ab). Priming ist eines der eindrücklichsten Phänomene, denen die Hirnforschung auf der Spur ist. Die Lösungsfokussierung ist nur eine konsequente Anwendung des Primings. Auf der nächsten Seite gehts weiter.

Auf die Lösung fokussieren

Wenn Sie also in einer Sitzung merken, dass Sie wieder geschlagene zehn Minuten der Problemschilderung eines Mitarbeiters zuhören mussten, dann ärgern Sie sich nicht. Stellen Sie sich lieber vor, wie die Lösung aussieht – und reden Sie darüber. Stellen Sie Ihrem Mitarbeiter einfach mal die Frage: «Wenn jetzt dein Problem durch irgendein Wunder gelöst wäre, was ist dann anders?» Der Befragte wird Sie vielleicht etwas irritiert ansehen, beharren Sie trotzdem auf der Antwort. «Wenn das Problem gelöst ist, was ist jetzt anders?» Sie werden dann beobachten können, wie sich beim Nachdenken über diese Frage das Gesicht Ihres Mitarbeiters aufzuhellen beginnt. Er wird Ihnen schildern, wie gut dann alles läuft. Während er Ihnen das erzählt, bilden sich in seinem Gehirn neue Pfade, die Kreativität wird angeregt, eine mögliche Lösung vorgepfadet – schlicht und einfach, weil das Ziel formuliert wird, und zwar so, als sei es schon verwirklicht. Das Gehirn macht dann den Rest: Es liefert den Weg zum Ziel. Lösungsfokussierung ist eine Denkhaltung, mit der ich im Coaching oft verblüffende Wirkung erziele. Wenn diese Denkhaltung einigermassen eintrainiert ist, kann ein Chef nicht nur sich selbst damit führen, sondern auch seine Mitarbeiter. Diese werden es ihm danken, denn er regt sie an, nicht Probleme zu wälzen, sondern Lösungen zu finden – das macht auch gleich viel mehr Spass. Über den Autor: Charles Meyer hat soziale Verhaltenswissenschaften studiert, ist Journalist, Buchautor und Systemischer Berater.
Computerworld-Sonderausgabe «Swiss CIO»
Dieser Artikel stammt aus der Computerworld-Spezialausgabe «Swiss CIO», die ab sofort erhältlich ist. Computerworld gibt der Schweizer IT-Elite mit dieser Sonderausgabe eine neue Plattform. Beispielsweise spricht Karl Landert, CIO der Credit Suisse, in einem grossen Interview über Führungsstile, seine steile Lernkurve beim Investment Banking und über den richtigen Umgang mit unrealistischen Forderungen. Ausserdem präsentiert Computerworld die CIOs der 50 grössten Schweizer Unternehmen im Kurzporträt. Die Computerworld-Spezialausgabe «Swiss CIO» können Sie auch als Einzelheft zum Preis von 9.80 Franken (exkl. Versandspesen) online auf Computerworld.ch bestellen.
Harald Schodl



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