27.01.2011, 06:00 Uhr

Worauf Sie bei Projektverträgen achten sollten

Viele IT-Projekte erreichen ihre Ziele unvollständig, verspätet oder nur mit substanziellen Mehrkosten. Detaillierte Projektverträge helfen, den Projekterfolg sicherzustellen und Projektrisiken zu minimieren.
Der Autor ist auf IT-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Wenger & Vieli in Zürich Eine Studie der Standish Group aus dem Jahr 2009 hat ermittelt, dass nur 32 Prozent der Projekte rechtzeitig, im Budget und mit dem geplanten Umfang abgeschlossen werden. 44 Prozent sind verspätet, liegen über dem Budget oder weisen Abstriche beim Umfang auf. Ganze 24 Prozent scheitern total. Einer der Gründe für diese ernüchternden Zahlen: Im täglichen Leben wird Projektverträgen oft nicht die Bedeutung zugemessen, die sie verdienen. Unvollständige, unklare oder unausgewogene Verträge bereiten nicht nur schlaflose Nächte, sie können auch hohe Mehrkosten verursachen.

Klare Vorgaben und Ziele Besonders wichtig sind klare Vorgaben und Ziele. Der Projekterfolg sollte im Vertrag möglichst umfassend beschrieben und der geschuldete Leistungsumfang präzise festgelegt werden. Weiter empfiehlt es sich, die erforderlichen Schnittstellen zu externen Software- und Hardware-Komponenten festzuhalten. Schliesslich dürfen auch Faktoren wie Produktivität, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit nicht vergessen werden. Ist der Leistungsumfang komplex, kann es Sinn machen, diesen vorab im Rahmen eines Vorprojekts genau festzulegen. Daraus resultieren regelmäs­sig Dokumente von mehreren Hundert Seiten. Meist ist es unumgänglich, dass der Kunde sowohl den Projektentwicklungsprozess als auch die Durchführung des Projekts aktiv unterstützt. Die dafür erforderlichen Ressourcen werden jedoch oft unterschätzt. Es empfiehlt sich daher, Art, Umfang und Zeitpunkt der Mitwirkung des Kunden genau zu bestimmen. Projektmanagement & Organisation IT-Projekte verändern sich oft während der Projektdauer, sei dies aus technischen, betriebswirtschaftlichen oder anderen Gründen. Diesem Aspekt ist mit einem sauber ausgestalteten Change-Management-Verfahren Rechnung zu tragen. Zur Vermeidung von Unklarheiten sollten der Projektplan sowie der Leistungsumfang stets aktualisiert werden. Erfolgsentscheidend ist, dass ein geeignetes Projektmanagement besteht und eine Organisationsform gewählt wird, die unter Berücksichtigung der Projektgrösse und -komplexität angemessen ist. Unklare Kompetenzzuordnungen und Verantwortlichkeiten müssen vermieden werden. Neben Projektmanagern wird in der Praxis oft ein sogenanntes Steering Committee bestimmt, das wichtige Entscheidungen zu treffen hat und bei Eskalationen angerufen werden kann. Unter Umständen kann es sich aus der Sicht des Kunden aufdrängen, den Anbieter zu verpflichten, genau festgelegte Personen oder zumindest Personenkategorien einzusetzen (z.B. Projektleiter mit Projektleitungserfahrung von mindestens fünf Jahren). Vor allem bei zeitlich ambitiösen Projekten wird zudem oft die Anzahl der am Projekt arbeitenden Personen vertraglich festgelegt.
Konsequenzen bei Verspätung
Vielfach werden unrealistische Zielsetzungen, schlechtes Projektmanagement und eine unzureichende Projektorganisation als Gründe für Verspätungen genannt. Noch zentraler ist meines Erachtens jedoch das Spannungsverhältnis zwischen dem durchaus legitimen Bedürfnis des Kunden, verbindliche Meilensteine definiert zu haben und der Komplexität von IT-Projekten. Oft ist der Anbieter bis zu einem gewissen Grad Generalunternehmer und abhängig von diversen Subunternehmern und Lieferanten. Hinzu kommt, dass IT-Projekte meist nicht statisch sind, sondern dynamisch verlaufen und sich damit auch die Meilensteine verschieben können. Ein Kunde tut in der Regel also gut daran, in Aussicht gestellte Termine kritisch zu hinterfragen. Kunden begehen regelmässig den Fehler, von Anbietern versprochene Termine als in Stein gemeisselt zu betrachten. Selbst bei einem branchenüblichen Projektvertrag kann das verheerende Folgen haben, weil die Verspätungsschäden in der Praxis meist nur zu einem geringen Teil auf den Anbieter abgewälzt werden können. Als bestes Druckmittel gegen Verspätungen erweisen sich exponentiell ansteigende Pönalen, allenfalls verbunden mit der Möglichkeit, auf Kosten des Anbieters weitere Personen zur Beschleunigung des Projektlaufs beizuziehen. Ist der Anbieter verhandlungsstark, kann er versuchen, für den Fall des rechtzeitigen oder sogar vorzeitigen Projektabschlusses eine Bonuskomponente zu vereinbaren.

Klare Vergütungsregelung Ein Projektvertrag sollte eine klare, einfache und widerspruchsfreie Preisstruktur enthalten. Damit tun sich in der Praxis selbst grosse Anbieter schwer. Teilweise ist bereits die gewählte Terminologie derart unklar, dass sich die Kosten im konkreten Fall nicht sauber berechnen lassen. In anderen Fällen werden fantasievolle Preisberechnungskonstrukte entwickelt, die zur Folge haben, dass die Meinungen der Vertragsparteien über die geschuldeten Gebühren weit auseinandergehen. Grundsätzlich können Festpreise, Aufwandpreise oder Aufwandpreise mit Kostendach vereinbart werden. Längst nicht jeder angeblich vereinbarte Festpreis ist tatsächlich ein solcher im rechtlichen Sinne. Einige Anbieter geben aus Marketinggründen Festpreise an, die durch undurchsichtige variable Preiselemente stark relativiert werden.

Haftung und Abbruch des Projekts Die Haftung des Anbieters sollte – zumindest aus seiner Sicht – unbedingt beschränkt werden. Dies geschieht oft durch die Festlegung von betraglichen oder prozentualen Haftungslimiten (z.B. im Umfang von 50% des Vertragsvolumens). Zudem wird in der Praxis die Haftung für Mangelfolgeschäden und andere mittelbare Schäden meist ausgeschlossen, soweit dies gesetzlich möglich ist. Nicht für jeden verursachten Schaden kann die Haftung beschränkt oder ausgeschlossen werden. So sieht Art. 100 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts etwa vor, dass Haftungsausschlüsse bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit nicht zulässig sind. In Vertragsverhandlungen führen die Bestimmungen rund um den Abbruch des Projekts regelmässig zu heftigen Diskussionen. Davor scheuen sich die Vertragsparteien oft und regeln sowohl die Voraussetzungen für Projektabbrüche als auch deren Folgen nur unvollständig oder unpräzise. Teilweise wird argumentiert, das Gesetzesrecht schliesse die in Projektverträgen bestehenden Lücken. Die einschlägigen Bestimmungen des Schweizerischen Obligationenrechts passen jedoch meist nicht zur konkreten Situation und führen zu einer unausgewogenen und oft auch unklaren Rechtslage. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, genau zu regeln, wer in welchen Konstellationen das Projekt abbrechen darf und wer in welchem Umfang die finanziellen Folgen zu tragen hat.

Nach dem Abschluss des Projekts Längst nicht alle Kunden machen sich bereits in der Projektphase Gedanken darüber, wie die Wartungsphase geregelt werden soll. Vor allem bei Abhängigkeiten zum Anbieter kann das riskant sein. In extremen Fällen hat ein fehlender Wartungsvertrag zur Folge, dass die Investitionen des Kunden für die Projektphase bald nutzlos werden. Als Grundregel gilt: Je spezifischer das für den Kunden entwickelte IT-System ist und je grösser die damit verbundenen Investi­tionen sind, desto wichtiger ist es, die Wartungs­phase möglichst frühzeitig vertraglich zu regeln. Im Idealfall ist der Kunde berechtigt, ein IT-System nicht nur durch den ursprünglichen Entwickler, sondern auch durch weitere Unternehmen warten und weiterentwickeln zu lassen. Andernfalls können für den Kunden wiederum riskante Abhängigkeiten entstehen. Wartungs- und Weiterentwicklungs-leistungen durch Dritte setzen voraus, dass der Kunde sowohl über die entsprechenden Rechte an der Software verfügt als auch Zugriff auf den Quellcode hat. Vor allem die Herausgabe des Quellcodes wird von den Entwicklern der Software aber regelmässig abgelehnt. Ein möglicher Kompromiss wäre eine Quellcode-Hinterlegung (Escrow), die es dem Kunden ermöglicht, den Quellcode zumindest in ganz bestimmten Konstellationen (z.B. im Konkursfall) herauszuverlangen. Acht goldene Regeln für Projektverträge 1. Die Vorgaben und Ziele des Projekts sowie die zu erbringenden Leistungen beider Vertragsparteien sollten genau definiert werden. 2. Setzen Sie ein geeignetes Projektmanagement sowie eine den konkreten Umständen angemes-
sene Projektorganisation auf.

3. Bestimmen Sie realistische Meilensteine und die Folgen bei Verspätungen. Aus der Sicht des Kunden können Pönalen als Folge von Verspätungen ein sinnvolles Druckmittel sein.

4. Es sollte eine klare, einfache und widerspruchsfreie Preisstruktur festgesetzt werden.

5. Die Haftung des Anbieters sollte – zumindest aus seiner Sicht – unbedingt beschränkt werden.

6. Kunden müssen darauf achten, dass sie in zeitlicher, sachlicher und ört­licher Hinsicht über die er­forderlichen Rechte an der Software verfügen.

7. Die Voraussetzungen für Projektabbrüche und deren Folgen sollten genau geregelt werden.

8. Die auf die Projektphase folgende Wartungsphase sollte möglichst früh, im Idealfall gleichzeitig mit dem Projekt, vertraglich geregelt werden.



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