Interview 19.07.2011, 16:41 Uhr

Karrieretipps für Schweizer Xing-Nutzer

Schweizer sind besonders rege Netzwerker. Aber den Baslern muss man etwas Besonderes bieten. Country Manager Robert Beer gibt Best-Practices-Tipps für Schweizer Xing-Nutzer.
Robert Beer, Country Manager von Xing Schweiz, will die Mitgliederzahlen verdoppeln. Denn Xing bringt konkreten Business-Mehrwert.
Robert Beer ist seit einigen Monaten Country Manager von Xing Schweiz. Beer selbst nutzt Xing intensiv. Welche Best-Practices-Strategien führen auf Xing zum Erfolg? Wie akquiriert man Aufträge, knüpft die entscheidenden "goldenen" Kontakte, zieht den optimalen Business-Mehrwert aus einem Netzwerk, das allein in der Schweiz fast 400.000 Mitglieder zählt? CW: Welchen konkreten Mehrwert schafft Xing für Geschäftsführer, Vertriebsmitarbeiter und den "normale" Arbeitnehmer? Beer: Das hängt davon ab, welches konkrete Ziel Sie sich gesetzt haben. Und Sie müssen sich fragen: Kann ich dieses Ziel in einem bestimmten Netzwerk erreichen, wie gehe ich dabei vor? CW: Ich will einen beruflichen Nutzen daraus ziehen. Was muss ich tun, um dieses Ziel zu erreichen? Beer: Xing 1.0 - so nenne ich das mal - hat als Adressbuch begonnen und die Adressen waren immer aktuell. Vor ein paar Jahren war den Leuten dieser Grundnutzen schon die Jahresmitgliedschaft wert. In Xing 2.0 geht es ums Mitmach-Web, ums Knüpfen von und Arbeiten mit Kontakten. Wer als Freischaffender Aufträge generieren will, muss eine ganz andere Strategie einschlagen als jemand, der seine Kontakte pflegen und ausbauen will. Akquirieren über Xing ist zurzeit ein brandaktuelles Thema. CW: Können Sie kurz skizzieren, wie man dabei am besten vorgeht? Gibt es so etwas wie einen Best-Practices-Katalog? Beer: Kunden kommen nicht von alleine, man muss direkt auf die Leute zugehen. Eine gute Vorselektion und eine gezielte Ansprache sind dabei sehr wichtig. Ausserdem: Netzwerke sind nicht mit einer Hetzjagd, sondern eher mit der Feldbestellung in der Landwirtschaft vergleichbar. „Jäger“ haben den sofortigen Erfolg im Auge, verteilen Visitenkarten und wollen gleich Aufträge an Land ziehen. Das ist kontraproduktiv, die Leute mögen das nicht. Nächste Seite: Wie gehen erfolgreiche Netzwerker vor? CW: Sondern, was mögen Xing-Mitglieder? Beer: Erfolgreiche Netzwerker gehen anders vor. Sie geben anderen Informationen, stiften Nutzen für andere, und das kommt dann irgendwann zurück, häufig über eine ganz unerwartete Ecke. Das ist eher so wie der Landwirt, der ein Feld hegt und pflegt, das Feld wächst und gedeiht, und bringt jedes Jahr mehr Ertrag. „Jäger“ und „Landwirte“ sind die beiden Archetypen von Netzwerkern. Der Landwirt ist der Erfolgreichere. CW: Die Pflege von Kundenkontakten ist doch die typische Aufgabe eines CRM-Systems, das viele Schweizer Firmen einsetzen. Wofür brauchen Schweizer Unternehmen zusätzlich soziale Netzwerke? Beer: Eine CRM-Lösung geht ja viel weiter und betreibt sehr gezielt Kundenpflege. Xing operiert dagegen auf der lockeren Netzwerk-Ebene. Man trifft die Menschen zwanglos dort, wo sie sich bewegen, und das kommt auch besser an. Wenn ein Verkäufer einen Kunden anruft mit der Absicht, ihm etwas zu verkaufen, dann ist das eine ganz andere Situation als etwa in einer Xing-Gruppe, wo man über ein gemeinsames Thema, ein gemeinsames Interesse in Kontakt kommt. CW: Viele Mitglieder wollen mit Xing ihre Karrierechancen erhöhen. Wie findet man den "goldenen Kontakt"? Welche Erfolgsstrategie empfehlen Sie? Beer: Jedes Xing-Mitglied hat zwei Hüte auf. Auf der einen Seite will es seine persönlichen Karrierechancen optimieren, auf der anderen Seite repräsentiert jedes Mitglied mit all seinen Qualitäten auch seinen Arbeitgeber. Geht ein Xing-Mitglied auf ein Live-Event, kann es sich nicht erlauben, sich schlecht zu benehmen, denn das würde auch seine Firma in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Wir beobachten, dass der HR-/Recruiting-Bereich auf Xing stärker an Bedeutung gewinnt. Mitglieder suchen Karrierechancen, Firmen wollen vakante Positionen qualifiziert besetzen. Grundsätzlich kann jeder Kontakt der entscheidende für einen Karrieresprung sein. Regelmässiges Netzwerken ist deshalb sehr wichtig. Viel zu selten betont werden die Kontakte zweiten Grades, die man über seine Primärkontakte leicht ansprechen kann. CW: Wie hoch ist die Erfolgsrate auf Xing Schweiz? Gibt es darüber Statistiken? Beer: Xing ist ein Kontakt- und Geschäftsanbahnungs-Tool. Wir monitoren ja nicht den erfolgreichen Geschäftsabschluss. Sehr wichtig ist die Brücke zwischen online und offline. Allein in der Schweiz werden jährlich 9000 Live-Events über Xing organisiert, über 180.000 weltweit. Die wichtigen Geschäfte laufen von Mensch zu Mensch ab, und das fördern wir dadurch. Nächste Seite: Was macht die Xing-Gemeinde in der Schweiz? CW: Wie gross ist die Xing-Gemeinde in der Schweiz, und wie aktiv sind diese Nutzer? Beer: Xing Schweiz steht kurz vor dem Durchbruch der 400.000er-Schallmauer. Einige Mitglieder gehen täglich online, einige einmal pro Woche, andere verhalten sich passiv. Aber der Xing-Netzwerker ist, das haben wir gemessen, von allen Netzwerkern der aktivste. Kein Business-Netzwerk wird hinsichtlich Verweildauer und Seitenaufrufen so stark genutzt wie Xing. Twitter-Nutzer, sind auch sehr aktiv, aber da ist auch viel heisse Luft drin. Bei Xing geht es um Business. Meldungen wie "Ich bin jetzt im Burestübli und habe gut gegessen..." finden Sie dort nicht. CW: Sehen Sie LinkedIn als Konkurrenz? Das Netz ist eher im angelsächsischen Raum vertreten. Beer: LinkedIn ist durchaus ein Konkurrent. Aber es kommt dabei auf ihre berufliche Zielsetzung an: Wenn Sie in einer Position arbeiten, in der Sie viele Überseekontakte pflegen, nutzen Sie auch LinkedIn. Wir beobachten, dass viele Leute Profile in mehreren Netzwerken angelegt haben. Das geht sehr schnell, man wird eingeladen, und schon ist man Mitglied. Aber nur eins pflegen sie als Aktiv-Netzwerk, betreiben aktiv Kommunikation. Die meisten Mitglieder haben ihre wichtigen Kontakte in einer regionalen oder nationalen Umgebung. CW: Mit der Pflege von 400 bis 500 primären Kontakten hat man schon ganz schön viel zu tun. Herr Beer, wie pflegen Sie ihre Kontakte? Beer: Kontaktpflege muss nicht aufwändig sein. Tipp Nummer 1: Besuchen Sie Offline-Events und treten Sie Online-Gruppen bei, die Ihnen sehr viel Nutzen bringen können. Kämpfen Sie etwa mit einem technischen Problem, dann stellen Sie ihre Frage in einem Expertenforum, und eine Stunde später kommt die Antwort - free expert advice. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das auch gerne hilft. Tipp Nummer 2: Tagging der Kontakte in A-, B- und C-Kontakte. Bei den A-Kontakten melde ich mich mindestens einmal im Monat, den B-Kontakten gratuliere ich zum Geburtstag, und die C-Kontakte sind abwartend auf Eis gelegt. Nicht alle Kontakte sind gleich wichtig, nur bei den Wichtigen verhält man sich proaktiv. Nächste Seite: Welche Schweizer Xing-Gruppen sind besonders erfolgreich? CW: Sie haben die Gruppen erwähnt. Welche Gruppen sind in der Schweiz besonders erfolgreich? Beer: Die Gruppe "Swiss Marketing" zum Beispiel ist sehr aktiv. Ausserordentlich rege sind die regionalen Xing Ambassador-Gruppen, die mit sehr viel Fantasie Events zu verschiedenen Themen organisieren. Solche Events sind sehr befruchtend, weil man dort Menschen kennenlernt, die sich in ganz anderen Kreisen und Industrien bewegen. Diese Kontakte sind besonders wertvoll. CW: Auch Unternehmen zielen auf die "Opinion Leader", und ganz besonders wertvoll scheinen Nutzer zu sein, die sich zwischen vielen ganz unterschiedlichen Nutzergruppen bewegen. Die Anzahl und die Intensität der Kontakte ist dabei gar nicht das Entscheidende. Denn grosse Nutzergruppen kommunizieren zwar sehr intensiv, kommen aber aus ihrer "geschlossenen Gesellschaft" nicht heraus. Beer: Der neuen Marketing-Ansatz, sich auf "Opinion Leader" zu fokussieren, hat seinen Ursprung im Aufkommen sozialer Netze. Die Entscheidungsfindung des Konsumenten und des Business-Kunden läuft heute über Empfehlungsmechanismen und Vertrauensbildung ab. Vertrauen hat man aber nicht in eine Marketing-Botschaft, sondern in das statistisch gewichtete Urteil der Masse - denken Sie zum Beispiel an Hotelbewertungen – und in Experten. Der Experten-Guru empfiehlt etwas, und der Rat wird weitergegeben, multipliziert sich. Empfehlungsmechanismen haben eine Baumstruktur, und an den Stamm, an die Experten oder "Opinion Leader", müssen Sie rangehen. Das kommt besonders kleinen Firmen entgegen, denn die alte, teure Giesskannenwerbung konnten sich nur Grossunternehmen leisten. Die Länge der Marketing-Spiesse hat sich angenähert. CW: Professor Marcus Schögel, Direktor des Instituts für Marketing an der Universität St. Gallen, sieht Xing auf dem Gartner Hype Cycle im Tal der Ernüchterung. Wie wollen Sie da rauskommen und das Plateau der Produktivität erreichen? Beer: Ich behaupte, dass Xing bereits das Tal der Ernüchterung verlassen und Richtung Produktivitätsplateau unterwegs ist. Xing hat im Gegensatz zu vielen anderen Social Media Plattformen ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Über 90 Prozent unserer Mitglieder erneuern jedes Jahr ihr Abo. Xing ist offensichtlich ein Business-Tool, das ihnen Mehrwert bringt. CW: Wie viele Neumitglieder gewinnt Xing? Beer: Wir hatten in der Schweiz im letzten Jahr ein Wachstum von 25 Prozent. Etwa jeder sechste ist zahlender Premium-Nutzer. Aber auch die Gratis-Nutzer sind uns sehr wichtig, denn der Mehrwert eines Netzwerkes hängt auch von der Menge der Nutzer ab. Nächste Seite: Basler nutzen Xing anders als Luzerner CW: Wie intensiv wird Xing für die aktive Personalsuche genutzt? Beer: Das ist extrem viel gelaufen. Xing ist in der Schweiz exklusiv eine Partnerschaft mit jobs.ch und topjobs.ch eingegangen. Gleich hinter den Premium-Mitgliedschaften ist HR unsere zweitgrösste Ertragsquelle, und HR wächst schneller. Firmen schalten Stelleninserate auf den Partner-Jobbörsen, um qualifizierte Kandidaten anzuziehen, oder gehen aktiv selbst auf die Suche. Xing bietet Personalern die Spezialmitgliedschaft "Recruiter" an, mit sehr umfangreichen Suchoptionen. Mehrere 100 HR-Fachleute in der Schweiz haben mittlerweile das Recruiter-Abo gelöst. Mitglieder ihrerseits können in ihrem Setting "an Karrierechancen interessiert" anklicken und es so einstellen, dass dieses Setting nur Recruiter zu Gesicht bekommen. Sie möchten ja nicht, dass ihre Offenheit für ein tolles Stellenangebot auch für ihren Arbeitgeber ersichtlich ist. CW: Gibt es Unterschiede im Nutzerverhalten zwischen den Ländern? Beer: Es gibt schon Unterschiede. Die Schweizer sind sehr aktive Netzwerker und mögen kleinere, exklusive Events. Grosse Veranstaltungen sind den Schweizern eher suspekt. In Deutschland ist es eher umgekehrt. Es gibt in der Schweiz aber auch grosse regionale Unterschiede. In einigen Regionen laufen Lunch-Events sehr gut, in anderen überhaupt nicht. Die Basler zum Beispiel lieben es, wenn Events etwas Spezielles, Aussergewöhnliches haben. Die Luzerner wiederum haben eine sehr aktive Regionalgruppe, die sich einfach regelmässig trifft, auch wenn gar nichts Besonderes auf der Agenda steht. Der Apéro muss stimmen, das ist klar, aber das Aussergewöhnliche steht nicht so im Zentrum. CW: Gibt es in der Schweiz Regionen, die Xing-mässig noch unterentwickelt sind, wo sich die Gründung einer Regionalgruppe besonders lohnen würde? Beer: Wir decken die gesamte Schweiz ab, sind aber in der Deutschschweiz stärker vertreten als in der Westschweiz. Wir sind daran, dies zu ändern. Es hängt möglicherweise auch mit dem Geburtsort von Xing zusammen, der ist eben der deutschsprachige Raum. Städte und Ballungsräume sind aktiver vernetzt als ländliche Regionen, auch Marketing, Beratung und Vertrieb netzwerken stärker. Wir glauben, dass wir in der Schweiz noch viel unerschlossenes Potenzial haben. Neben einer Verdopplung unserer Mitgliederzahlen sehe ich auch noch einige Branchen, die sich dem Web2.0 erst langsam öffnen. Im angloamerikanischen und skandinavischen Raum, der früher mit sozialen Netzwerken begonnen hat, ist die Durchdringung etwa doppelt so hoch wie im deutschsprachigen Raum. Der deutschsprachige Kulturraum ist punkto soziale Netzwerke etwa zwei bis drei Jahre im Rückstand.



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