12.04.2011, 08:59 Uhr

Deutscher IT-Nachwuchs verliert an Qualität

Aufgrund des Fachkräftemangels rekrutiert manches Schweizer Unternehmen IT-Personal im nördlichen Nachbarland. Doch um den Nachwuchs ist es offenbar nicht so gut bestellt.
Heinrich Wottawa von Eligo analysiert den deutschen IT-Nachwuchs
Deutschland bildet mittlerweile mehr Informatiker aus als vor sieben Jahren. Die Absolventen bringen allerdings immer weniger Qualitäten für Führungsaufgaben mit. Das geht aus einer Langzeitstudie des Software-Herstellers Eligohervor. Das Unternehmen aus Bochum, deren Produkte auch die Basler Versicherungen und die Credit Suisse nutzen, hat seit 2003 fast 21'000 Absolventen nach beruflichen Zielen befragte und ihre Leistungspotenziale erfasst. Für die befragten 2470 Junginformatiker ergab sich ein wenig schmeichelhaftes Bild. So ist etwa der Leistungsgedanke unter Informatikern deutlich geringer ausgeprägt als bei zum Beispiel Betriebswirten. Nur 35 Prozent spornt eine aussergewöhnliche Aufgabe an, über die sie sich profilieren können. Dazu passt, dass fast jeder zweite Informatiker von aussen motiviert ist. «Arbeitgeber müssen bei der Personalsuche berücksichtigen, dass sie auch extrinsische Anreize setzen müssen», sagt Eligo-Geschäftsführer Heinrich Wottawa. Die Mehrheit der IT-Absolventen wolle vor allem gut bezahlt sein.

Viel Geld und Lob vom Chef

Allerdings sind die Berufsanfänger sehr am Gelingen ihrer Arbeit interessiert und möchten für Erfolge auch Anerkennung erfahren. 48 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen wollen um jeden Preis Misserfolge vermeiden. Vor sieben Jahren waren es noch jeweils 10 Prozent weniger. Die gleichen Geschlechtsunterschiede ermittelte die Studie für das Streben nach Bestätigung: Während 66 Prozent der Informatikerinnen sich Lob erhoffen, blieb der Wert bei den Männern konstant bei 45 Prozent. Wottawa sieht hier eine Erklärung dafür, warum viele Frauen den Sprung in Führungspositionen nicht schaffen: Als Chef macht man sich nicht nur Freunde. Nächste Seite: Familie wichtiger als Macht Künftige Führungskräfte müssen einiges aushalten können, meint Geschäftsführer Wottawa. Allerdings ermittelte Eligo einen ebenfalls starken Rückgang bei der Belastbarkeit der Junginformatiker. Für Stressresistenz fielen die Werte von 51 auf 43 Prozent bei den Männern beziehungsweise von 46 auf 33 Prozent bei den Frauen. Damit sind IT-Absolventen deutlich weniger belastbar als der durchschnittliche Akademiker. Aus einem solchem Ergebnis müssten auch die heutigen IT-Führungskräfte ihre Lehren ziehen, betont Wottawa: «Je weniger stressresistent die jungen IT-Mitarbeiter sind, desto weniger lässt sich bei ihnen mit emotionalem Druck erreichen. Wenn etwas schiefläuft, sollte der Chef nicht einfach unkontrolliert schimpfen, sondern überlegen, wie er seine Kritik vermittelt.»

Einzelkämpfer statt Teamplayer

Vorgesetzte könnten angesichts der Studienergebnisse schneller Kritik üben müssen, als ihnen lieb ist. Insbesondere den männlichen IT-Absolventen entwickeln sich offenbar immer mehr zu Einzelkämpfern. So hat die Bereitschaft, Probleme etwa der Kunden zu lösen, deutlich nachgelassen. Auch Zuverlässigkeit steht nur noch bei 35 Prozent hoch im Kurs, kontaktfreudig sind nur noch 38 anstatt 44 Prozent. Demgegenüber blieb unter den IT-Frauen die Bereitschaft, Probleme zu lösen, Kontakte zu knüpfen und die Zuverlässigkeit unverändert hoch – höher als bei den Männern. Die Teamorientierung hat allerdings bei beiden Geschlechtern nachgelassen. Die gesunkene Leistungsbereitschaft und den mangelnden Servicegedanken führt Eligo-Geschäftsführer Wottawa auf den Generationenwechsel zurück. «Manchem 35-Jährigen fällt es schwer, zu verstehen, dass die jungen Leute, die er einstellt, nicht mehr so ticken wie er», sagt der hauptberufliche Psychologieprofessor von der Universität Bochum. Wottawa fordert die Arbeitgeber auf, sich in den Nachwuchs hineinzuversetzen. Dazu gehöre zu verstehen, dass Macht als Anreiz immer unwichtiger wird. Vor allem junge IT-Frauen streben kaum noch nach Macht (33 Prozent). Ihnen ist die Familie wesentlich wichtiger (64 Prozent). Auch unter IT-Männern rangiert die Familie vor der Macht.



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