25.03.2011, 06:00 Uhr

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Wer über eine ICT-Ausbildung verfügt, hat in der Schweiz beste Berufschancen. Qualifizierte Fachkräfte besitzen einen Freifahrtschein für hohe Löhne und sichere Jobs. Computerworld hat sich umgehört, welche Profile besonders gefragt sind.
ICT-Ausbildung: Freilos für die Karriere
Die Schweiz ist europäischer Spitzenreiter bei den Arbeitsmarktaussichten. Wie eine repräsentative Umfrage des Personaldienstleisters Manpower für das erste Quartal 2011 ergeben hat, sind ins­besondere IT-Berufe wieder gefragt. Im Manpower-Arbeitsmarktbarometer befinden sich IT-Manager und -Projektleiter unter den meistgesuchten Berufen. Warum speziell hier eine grosse Nachfrage herrscht, dürfte mehrere Ursachen haben. Bruno Preite, Inhaber des Glattbrugger IT-Personalvermittlers Endeso, verweist darauf, dass es «prinzipiell keinen IT-Bereich gibt, in dem Unternehmen sehr einfach qualifizierte Kandidaten finden». Es gibt schon für hierarchisch niedrigere Funktionen im ICT-Bereich zu wenige Fachkräfte. Aus diesem kleinen Pool dann quali­fiziertes Personal für Führungspositionen he­rauszufiltern, ist noch schwieriger. Ausserdem sind für höhere Funktionen eher extrovertierte Personen mit kommunikativen Fähigkeiten gefragt. Hervorragende Kommunikations-Skills zählen in der Informatikausbildung aber nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen. Ohne geeignete Gegenmassnahmen werden bis zum Jahr 2017 rund 32000 ICT-Fachkräfte fehlen, wie der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz vor Kurzem mitgeteilt hat. Weil aber kaum damit zu rechnen ist, dass der seit Jahren bekannte Fachkräftemangel in naher Zukunft nicht mehr existiert, müssen Unternehmen bei der Rekrutierung von IT-Personal neue, innovative Wege gehen. Weiter gehts auf der nächsten Seite.

Entwickler, Projektmanager, SAP

IT-Personalvermittler Endeso hat derzeit besonders viele Anfragen nach Software-Entwicklern für .Net-Umgebungen. «Hier gibt es schweizweit wenige gut qualifizierte Leute», erklärt Inhaber Bruno Preite. Zudem würden die meisten auf Freelancer-Basis arbeiten (Warum das so ist, erfahren Sie im Beitrag ab S. 28). Personal für Festanstellungen sei in diesem Bereich sehr schwierig zu bekommen, so Preite. Michel Kaufmann, Leiter Marketing und Product Management bei Jobs.ch, stellt einen ähnlichen Trend fest: Auf seinem Onlinestellenportal sind momentan vor allem Experten für Software-Entwicklung und -Analyse gefragt, gefolgt von Spezialisten fürs Projektmanagement.
Endeso-Chef Preite bemerkt seit dem dritten Quartal 2010 zudem eine stark steigende Nachfrage nach Experten für Online- und Social-Media-Marketing. Aufgrund der zunehmenden Verbreitung sozialer Netzwerke sei davon auszugehen, dass Marketing verstärkt in sozialen Medien stattfinde, da sich hier auch potenzielle Kunden informieren bzw. austauschen. Was früher etwa Radio oder Fernsehen waren, verlagert sich also zunehmend auf Portale wie Facebook oder Twitter. Kaufmann bestätigt diesen Trend, relativiert aber gleichzeitig: «In der persönlichen Wahrnehmung steigt die Nachfrage deutlich, wenn auch noch auf tiefem Niveau.» Viele Stellen und Jobprofile in diesem Bereich würden gerade erst neu geschaffen. «Die Titel und Funktionen sind noch nicht breit etabliert. Deshalb ist es schwierig, hier auf statistische Daten zurückzugreifen», so Kaufmann. Auf der nächsten Seite lesen Sie, welche Anforderungen grosse Schweizer Arbeitgeber wie Coop oder der Migros-Genossenschaftsbund derzeit haben. Derzeit wird im Social-Media-Bereich zwar noch sehr viel Pionierarbeit geleistet, dennoch laufen entsprechende Ausbildungsangebote mittlerweile auch in der Schweiz an. Beispielsweise startet dieses Frühjahr die Hochschule für Wirtschaft Zürich das 21-tägige berufs­begleitende Zertifikatsprogramm «CAS Social Media Management». Etwas anders gelagert sind die Anforderungen der grossen Schweizer Arbeitgeber. So benötigt der Migros-Genossenschaftsbund derzeit vor allem Spezialisten mit SAP-Know-how: SAP-Inhouse-Berater, SAP-Business-Warehouse-Analysten und Entwickler. Ausserdem will der Lebensmittelriese Unix-Systemspezialisten und Identity/Access-Manager einstellen. Konkurrent Coop hat laut eigenen Angaben derzeit 16 Vakanzen, die über den gesamten IT-Bereich verteilt sind. Zurzeit habe der Konzern vor allem Schwierigkeiten, Mitarbeitende mit Niveau Informatikerlehre für seine Service Center zu finden, berichtet Mediensprecher Nicolas Schmied. Hier macht sich einmal mehr bemerkbar, dass sich der Schweizer Nachwuchs noch immer sehr wenig für Informatik interessiert. Die SBB, ebenfalls einer der grössten eidgenössischen Arbeitgeber, suchen momentan Per­sonal für Entwicklung und Projektleitung, den IT-Betrieb sowie ERP-Experten. Auf der nächsten Seite: «Gute Ausbildung, gutes Geld»

Gute Ausbildung, gutes Geld

Der grassierende Fachkräftemangel bereitet zwar den Unternehmen Probleme, für die Schweizer Arbeitnehmenden ist er aber vor allem lukrativ. Schliesslich führt die Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften zu hohen Löhnen respektive Stundensätzen. So erhalten etwa berufserfahrene, qualifizierte Senior-Software-Entwickler gemäss Preite im Schnitt ein Jahressalär zwischen 110000 und 140000 Franken. «In Anbetracht der Tatsache, dass nach wie vor Zehntausende IT-Spezialisten fehlen, wirkt sich der Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitnehmenden aus», kommentiert auch Giorgio Pardini, Leiter Sektor Telecom und IT bei der Gewerkschaft Syndicom.
Wenn es um besonders geeignete Ausbildungswege geht, sind pauschale Aussagen allerdings schwierig. Der ideale Weg hänge doch stark vom aktuellen Stellen- und Aufgabenprofil des jeweiligen Arbeitnehmers und dem persönlichen Background ab, kommentiert Michel Kaufmann von Jobs.ch. Dennoch lassen sich Trends erkennen. «Die grösste Nachfragesteigerung sehen wir klar in der dualen Berufsbildung, die mit sehr viel Erfahrung in den Betrieben einher geht», meint Andreas Kaelin, Präsident der ICT-Berufsbildung Schweiz. Dabei müsse vor allem die Struktur der eidgenössischen Wirtschaft berücksichtigt werden: «Man darf nicht vergessen, dass gut zwei Drittel aller ICT-Beschäftigten in der Schweiz nicht in der eigentlichen Kernbranche arbeitet, sondern bei Banken, Versicherungen, Handelsbetrieben, der Verwaltung oder anderen Branchen.» Das setze auch gute Kenntnisse in den jeweiligen Branchen voraus. Auf der nächsten Seite lesen Sie, welche Jobprofile besonders zukunftssicher sind.

Zukunftssichere Berufe

Endeso-Chef Preite, der selbst zwölf Jahre als Software-Entwickler gearbeitet hat, sieht für qualifiziertes IT-Personal auch in Zukunft sehr gute Jobchancen in allen Bereichen der Informatik. Ausserdem werden seiner Ansicht nach wieder vermehrt Quereinsteiger zum Einsatz kommen. So könnte es also wieder zunehmend entsprechende Trainingsangebote von Gross­unternehmen geben, um auf diesem Weg dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. Michel Kaufmann von Jobs.ch sieht einen lang­­anhaltenden Trend bei mehreren Jobprofilen: Software-Entwickler, Projektmanager, Be­rater, Wirtschafts-informatiker und Systemtech­niker- bzw. -administratoren zeigten eine langfristige Tendenz, stark nachgefragt zu werden. «Diese werden vermutlich auch in den nächsten Jahren auf den vorderen Rängen landen», meint er. Zudem geht der Jobexperte davon aus, dass im Zuge der stetig wachsenden Informationsflut künftig auch Datenbankspezialisten immer wichtiger werden.
Gemäss dem Verband ICT-Berufsbildung Schweiz ist die Verbindung zwischen Praxiserfahrung und fundierten ICT-Fachkenntnissen besonders gefragt und damit zukunftssicher. «Wir wissen aus Analysen des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie, dass gerade die Ausbildung mit Lehre, Fachausweis und Diplom langfristig die vergleichsweise besten Karrierechancen bietet», begründet Andreas Kaelin. «Das heisst für uns aber auch, dass wir mehr Lehrstellen schaffen müssen und die Berufsbildung in der Schweiz stärker und rascher auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausrichten müssen», so der Präsident von ICT-Berufsbildung Schweiz weiter. Arbeitnehmerverbände sehen sich hier offenbar nicht in der Pflicht. «Diese Aufgabe überlassen wir den Unternehmungen», erklärt zumindest Syndicom-Mann Pardini. Wichtig ist allerdings, dass Arbeitgeber neben einer Top-Bezahlung auch weitere Anreize bieten müssen, um echte Talente an Bord zu holen. So sind für viele Menschen etwa gestalterische Freiheiten und Möglichkeiten zur Verwirklichung ausschlaggebende Faktoren bei der Stellenwahl. Unternehmen sollten sich zudem um attraktive Arbeitsplätze für Frauen bemühen, da diese im ICT-Bereich zahlenmässig noch immer rar gesät sind – und auf der Suche nach Fachkräften auch berufserfahrene ältere Semester und Migranten in Erwägung ziehen.



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