12.12.2013, 10:23 Uhr

Wie ein guter Chef sein muss

In der heutigen Wirtschaftspraxis sind es vor allem vier Qualitäten, die eine wahre Führungspersönlichkeit aufweisen sollte. Wir erklären, welche Eigenschaften die Siegertypen tatsächlich auszeichnen.
Auf dem Chefsessel sitzen: Nicht jeder, der dort Platz nimmt, hat automatisch Führungsqualitäten.
Über kaum ein Thema wird in der Geschäftswelt so heftig diskutiert wie über die Qualitäten, die eine wahre Führungspersönlichkeit auszeichnen muss. Kaum ein anderer Bereich des menschlichen Lebens – von der Liebe einmal abgesehen – wurde von Geschichtsschreibern so leidenschaftlich dargestellt wie dieser.
Doch was genau sind die Charakteristika, die eine echte Führungspersönlichkeit auszeichnen? Woraus setzt sich Führungsqualität wirklich zusammen? Und welche Eigenschaften scheinen nur ein Teil davon zu sein?
Führungsqualität in der Geschichte
In der Geschichtsschreibung finden wir das Thema Führungsqualität vor allem im Zusammenhang mit Krieg wieder. "Führungspersönlichkeiten" wie Alexander der Grosse, Julius Cäsar und Napoleon sind strahlende Beispiele für schnelle Expansion und Ausdehnung des eigenen Machtbereichs. Für viele gelten sie daher gleichsam als ruhmreiche Beispiele wahrer Führungspersönlichkeiten. Bei Umfragen werden sie oft zuerst genannt, während Persönlichkeiten aus dem Bereich der Wirtschaft, wie Siemens, Krupp, Thyssen, Grundig, Iacocca oder Ford, nur selten erwähnt werden.
Doch verdienen diese kriegerischen Persönlichkeiten wirklich den Status "Führungspersönlichkeit"? Sollten uns ihre Charaktereigenschaften als Beispiele guter Führungsqualität dienen?
Es scheint Teil unserer kriegerischen Ader als Menschen zu sein, dass wir grosse Krieger und Eroberer bewundern. Interessanterweise wird den Königen, Kaisern, Präsidenten und anderen Persönlichkeiten, die ihren Völkern Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben ermöglichten, relativ wenig Beachtung zuteil. Vom Hollywood-Gesichtspunkt aus könnte man sagen, dass ihr Leben nicht genug Story enthält.
Müssen Führungskräfte ihre Mannschaft mit solcher Härte behandeln, wie es Kapitän Bligh von der Bounty getan hat? Sollten sie in ihrer Redegewandtheit Cicero übertreffen? Benötigen sie so viel Charisma wie John F. Kennedy? Ist so viel Gewalt nötig, wie sie Karl der Grosse gegen die Sachsen einsetzte? Oder sollte man als Führungskraft besser ein zweiter Ghandi sein?
Anti-Führungsqualitäten
Analysiert man die grossen "Führer" der Vergangenheit, treten einige Qualitäten zu Tage, die definitiv nicht zu den wirklichen Führungsqualitäten zählen. Eine davon ist Volksverhetzung, bei der man eine Gruppe von Menschen gegen eine andere aufwiegelt und so destruktive Handlungen auslöst. Manipulation und Betrug sind ebenfalls keine Führungsqualitäten, genauso wenig wie destruktive Gewalt.
Man kann das Fehlen von Führungsqualität bei einer Person in leitender Stellung auf lange Sicht immer daran erkennen, dass ihre Aktionen mehr Chaos als Ordnung schaffen und die Mehrheit darunter zu leiden hat.
Wahre Führungsqualitäten
In der heutigen Wirtschaftspraxis sind es vor allem vier Qualitäten, die eine wahre Führungspersönlichkeit auszeichnen. Zunächst einmal muss eine Führungspersönlichkeit grosse Ziele oder Visionen haben, etwas, was sie antreibt und was auch für ihre Mitstreiter ein Ausgangspunkt von Motivation ist.
Dann muss sie in der Lage sein, Verantwortung für einen Bereich zu übernehmen. Dies schliesst alle Vorgänge, Maschinen, Werkstoffe und natürlich auch die Mitarbeiter innerhalb dieses Bereichs ein. Eine "Organisation" kann niemals für etwas verantwortlich sein, nur die Individuen in ihr können das. Und der grösste Teil dieser Verantwortung lastet auf den Schultern der zuständigen Führungskraft.
Darüber hinaus muss eine Führungspersönlichkeit über gute Kommunikationsfähigkeiten verfügen. Sie muss in der Lage sein, ihren Mitarbeitern zuzuhören, um Situationen zu erfassen, und darüber hinaus auch in der Lage sein, ihre Ideen und Anweisungen auf verständliche Weise mitzuteilen. Nur so kann sie Übereinstimmung und Koordination hervorbringen, was dazu führt, dass das gesamte Team in die gleiche Richtung arbeitet.
Last but not least gehört zu den besonderen Qualitäten einer Führungspersönlichkeit eine gewisse Zuneigung zu den Mitarbeitern, die sie führt. Eine menschenverachtende Einstellung ist nicht sehr förderlich dabei, mit anderen zu arbeiten, geschweige denn, sie zu motivieren.
Qualität Nummer 1: Grosse Ziele
Die grossen Führungspersönlichkeiten der Vergangenheit haben grosse Ziele verfolgt, an denen sie ohne Wenn und Aber festgehalten haben, für die sie gekämpft haben und bei denen sie sicher waren, sie zu erreichen. Hierbei ist das Attribut "gross" relativ zu sehen. Als Führungskraft eines Unternehmens müssen die angestrebten Ziele nicht aus dem Erreichen der Weltherrschaft oder der Top-Marktposition bestehen. Irreale Ziele können äusserst demotivierend wirken. Es geht darum, Ziele zu wählen, die zu Expansion führen und das eigene Team voranbringen.
Ein weiterer Faktor, der in der Vergangenheit oft übersehen wurde, ist, dass Ziele konstruktiv sein sollten. Eine Führungspersönlichkeit, die "über Leichen geht", um ihre Ziele zu erreichen, wird auf Dauer nicht wirklich erfolgreich.
Qualität Nummer 2: Verantwortung
Der Begriff der Verantwortung wird heutzutage zu oft mit Schuld gleichgesetzt oder damit, dass man seine Konsequenzen zieht und von einer Führungsposition zurücktritt. Dabei umfasst Verantwortung aber weitaus mehr. Sie bedeutet, dass man fähig ist, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu bewältigen, Situationen zu lösen und Hindernisse zu überwinden. Eine Führungskraft, die für ihren Aufgabenbereich Verantwortung übernimmt, schafft Ordnung und sorgt dafür, dass die Dinge richtig laufen.
Hier haben wir das grosse Dilemma mit der heutigen Politik. Viele Politiker sind nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, und können daher keine klaren Entscheidungen treffen. Zweifel, Unsicherheit und Verängstigung führen dazu, dass Entscheidungen vertagt und faule Kompromisse ausgehandelt werden.
Eine Führungskraft, die Verantwortung übernehmen kann, ist gleichfalls bereit, einen Teil davon zu delegieren und ihre Mitarbeiter dazu zu bringen, ihrerseits Verantwortung für ihre jeweiligen Bereiche zu übernehmen. Dabei ist ihr bewusst, dass Verantwortung eine individuelle Angelegenheit ist und man sie niemals einer Gruppe als Ganzer, sondern nur einzelnen Mitgliedern der Gruppe übertragen kann.
Sie agiert – und das ist ein weiterer Aspekt von Verantwortung – im Interesse aller Beteiligten. Wenn sie ein Unternehmen auf Erfolgskurs bringt, achtet sie darauf, dass sowohl das Unternehmen selbst als auch die Mitarbeiter gewinnen. Unternehmenserfolg auf Kosten der Mitarbeiter mag leichter zu erreichen sein, zeugt aber nicht von Verantwortung und wirkt sich auf lange Sicht negativ für das Unternehmen aus.
Beim Faktor Verantwortung unterscheiden sich die wenigen Führungspersönlichkeiten in unserer Gesellschaft generell von all jenen, die bei ihrer Arbeit lieber Anweisungen entgegennehmen und in untergeordneten Positionen arbeiten.
Qualität Nummer 3: Kommunikation
Während dem Faktor Kommunikation im zwischenmenschlichen Bereich generell enorme Bedeutung zukommt, ist er für eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit ebenfalls unabdinglich. Es kommt nicht von ungefähr, dass die grossen Führungspersönlichkeiten der Geschichte gleichsam hervorragende Redner waren. Sie konnten ihre Ideen transparent darstellen, sie zu ihren Mitstreitern hinüberbringen und somit ihre Unterstützung gewinnen.
Dabei kann nicht jeder, der grosse Reden schwingt, auch wirklich kommunizieren. Entscheidend ist, ob er seine Zuhörer bzw. Mitarbeiter wirklich anspricht und in ihnen den Wunsch weckt, die von ihm kommunizierten Ideen zu verwirklichen.
In der Vergangenheit wurde die Fähigkeit zur Kommunikation oft dahingehend missbraucht, Menschen für destruktive Ziele zu begeistern. Eine Führungskraft, die dies tut, übernimmt keine wirkliche Verantwortung für die von ihr geführten Menschen und bringt ihnen auch keine wirkliche Zuneigung entgegen, da sie sie letzten Endes für eine Idee oder Ideologie opfert. Der entscheidende Punkt hierbei ist, ob die Absichten der Führungskraft – egal wie sie es kommunikativ darstellt – letzten Endes konstruktiv oder destruktiv sind.
Qualität Nummer 4: Zuneigung
Ob man es glaubt oder nicht: Zuneigung ist eine wichtige Führungsqualität. Das bedeutet nun nicht, dass man als Führungskraft all seine Mitarbeiter lieben, in eine "Make pace not war"-Haltung verfallen oder alle Fehler tolerieren sollte. Es bedeutet einfach, die Menschen, die man führt, zu schätzen, sie zu respektieren und als Menschen anzuerkennen.
Genau an diesem Punkt versagten alle Diktatoren der Geschichte. Sie empfanden für ihre Mitmenschen keine wirkliche Zuneigung, sondern höchstens Verachtung, weshalb es ihnen nichts ausmachte, sie für persönlichen Gewinn oder irgendwelche fiktiven Ziele zu opfern.
Gefühllose Hardliner mögen Mitarbeiter durch übermässigen Druck und Drohungen zur Arbeit zwingen können, auf Dauer werden sie jedoch die Motivation ihrer Mitarbeiter zunichte machen. Es ist daher ein wichtiges Kriterium für eine Führungskraft zu wissen, wie viel Druck sie ausüben muss, um Produktion zu erzielen. Hierbei ist wirklich Fingerspitzengefühl nötig. Nur wenn eine Führungskraft über ein gewisses Mass an Zuneigung verfügt, kann sie darauf hoffen, dass ihre Mitarbeiter die gesetzten Ziele gerne unterstützen.
Zusammenfassung
Wenn die tatsächlichen Führungsqualitäten bekannt sind und richtig gewichtet werden, können auf allen Ebenen Top-Führungskräfte, wahre Führungspersönlichkeiten, hervorgebracht werden. Dies ist für Wirtschaft und Politik gleichermassen wichtig, denn ohne eine ausreichende Zahl von Führungspersönlichkeiten, die Dinge voranbringen, fehlt unserer Gesellschaft die nötige Ordnung. 


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