Logistik 09.12.2011, 04:34 Uhr

Blitzschnell beim Kunden

Mit dem konsequenten Ausbau seiner E-Commerce-Lösung – und der dahinterliegenden Logistik-IT – ist der Elektrogrosshändler Otto Fischer zum Pionier im Onlinebusiness seiner Branche geworden.
Wenn im Dezember Zürichs neue Tramlinie 4 direkt vor dem funktionellen Bau der Otto Fischer AG (OFAG) am westlichen Stadtrand hält, wird das für die insgesamt rund 280 Mitarbeiter von Vorteil sein. Doch für die Kunden wird der bessere Anschluss an den öffentlichen Verkehr immer unwesentlicher. Denn beim Zürcher Elektromaterialgrosshändler läuft schon heute der grösste Teil der Bestellungen übers Internet. Wer bis 18 Uhr per iPhone, iPad oder PC online bestellt, hat am nächsten Morgen bis 7 Uhr überall in der Schweiz die benötigte Ware und zwar dort, wo er sie braucht: direkt vor Ort auf der Baustelle oder daheim im Betrieb. Um die strengen Zeitvorgaben zu erfüllen, startet die OFAG um 19 Uhr mit 40 Kleinlastwagen in die ganze Schweiz. Zur Auslieferung stehen 250000 Produkte, davon sind rund 35000 Artikel ständig in Zürich-Altstetten im Lager abrufbar. Von dort aus werden Geschäftskunden mit allen Arten von Kabeln, Rohren, Kanälen, Dosen, Klemmen, Schaltern, Sicherungen, Verteilern, Kommunikationsgeräten, Netzwerkzubehör, Werkzeugen, Messinstrumenten und jeder Menge Zubehör beliefert. Lesen Sie auf der nächsten Seite: IT-Prozesse überwinden Grenzen IT-Prozesse überwinden Grenzen Auslöser für das Webshop-Projekt mit allen verfügbaren Artikeln und einer komplett integrierten Business-Software (ERP) waren die Ansprüche der Kunden. Die Elektroinstallateure wollen um sieben Uhr mit der Arbeit beginnen, dann muss das bestellte Material vor Ort sein. Allerdings ist oft erst am Ende des Arbeitstags klar, was am nächsten Tag benötigt wird. So gehen die meisten Aufträge erst gegen Ende der Bestellfrist ein. Für die Mitarbeiter in der Auftragsabwicklung heisst das, in kürzester Zeit alle Aufträge abzuarbeiten. Da die Effizienz der Lagermitarbeiter bereits als nicht mehr zu optimieren eingestuft wurde, und die Einstellung weiterer Mitarbeiter keine Alternative bot – man hätte sich sonst im Lager auf die Füssen getreten – musste eine neue Lösung gefunden werden. Die zentrale Frage dabei: Wie kann man auf begrenzter Fläche wachsen, ohne in neue Lager umzuziehen?  Eine derartige Entwicklung sei ohne IT-basierte Prozesse heute gar nicht mehr möglich, meint Roger Altenburger, der als Mitglied der Geschäftsleitung das Marketing und die Logistik bei OFAG verantwortet: «Ohne IT geht heute bei uns gar nichts und ohne E-Business fast nichts», sagt er. Am Anfang stand die Herausforderung, ein integriertes ERP-System als Webshop aufzubauen. Die Lösung wurde in vier Stufen umgesetzt: 1999 ging der Webshop online, 2005 war der nahezu papierlose Warenfluss realisiert, 2006 ging der erste mobile Internetshop live und seit 2010 ist zum Relaunch der Plattform auch eine iPhone- und iPad-App aufgeschaltet worden. Allein über die inzwischen zweite Version der App gehen heute über Hundert Aufträge pro Tag bei der OFAG ein. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Dramitische Entwicklung «Diese Entwicklung hat nur eine Konstante», betont Altenburger, «wir wollen unseren Kunden einen umfassenden Service zur Verfügung stellen». Angesichts des permanenten Preiskampfs im Grosshandel sind die Dienstleistungen zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal geworden. Im Webshop und in der App ist deshalb heute das vollständige Sortiment verfügbar, inklusive vorselektionierter Angebote sowie kundenspezifischer Informationen und Zusatzangebote zu einzelnen Produkten. Dadurch setze man kleine, aber entscheidende Differenzierungsmerkmale, erklärt der OFAG-Mann. Die Lagerverfügbarkeit ist laut Altenburger im letzten Jahr von 99 auf 99,5 Prozent gestiegen, die Fehlerquote von 0,3 auf 0,2 Prozent gesunken. Damit lassen sich heute einerseits die Einkaufsmengen besser kanalisieren und andererseits erhebliche Kosten sparen – weil die sehr teuren Retourenprozesse zurückgehen. Wurden 1999 erst 8 Prozent der Produkte online verkauft, sind es derzeit «deutlich mehr als 65 Prozent», erklärt Altenburger. Telefon- und Faxbestellungen nehmen ab, weil immer mehr Elektriker die schnelle Internetbestellung nutzen, was ihnen gleichzeitig ein eigenes Lager erspart. Täglich gehen insgesamt schon rund 2500 Aufträge online ein. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Partnerschaften sind zentral Partnerschaften sind zentral Ohne zuverlässige Partner im Hintergrund, ist sich Altenburger sicher, wären diese Aus- und Umbauten nicht zu realisieren gewesen. Zwar unterhält die OFAG eine eigene IT-Abteilung mit sechs Mitarbeitern und einem Lehrling, doch erst die langjährige Zusammenarbeit mit dem ERP-Anbieter Polynorm Software habe den heute erreichten Durchbruch im Internethandel möglich gemacht. «Dass die ihre Geschäfts-Software mit unseren Ansprüchen weiterentwickelt hat, war ausschlaggebend dafür, den Partner nicht zu wechseln», erläutert der Leiter Marketing & Logistik. Im Speditionsbereich habe man sich «für die zwar teuerste, aber präzise auf unsere Bedürfnisse zugeschnittene Lösung» von swiss1mobile AG entschieden, erklärt Altenburger weiter. Denn schon beim Start ins E-Commerce seien nicht allein die Kosten ausschlaggebend gewesen, vielmehr habe man eine zukunftsoffene und innovative Lösung bevorzugt, die den eigenen Ansprüchen gerecht wird. Ebenso zentral für den Erfolg ist, dass die Infrastruktur den ständigen Zugriff auf das Internet garantiert. Um die Redundanz sicherzustellen, betreibt die OFAG bei Swisscom deshalb ein zweites Rechenzentrum. Zudem sind alle drei Standorte über ein LAN von Swisscom miteinander verbunden, die als Mobilfunk-Carrier auch die BlackBerrys und iPhones liefert. «Die Netzverfügbarkeit und damit die für uns absolut zentrale Datenübermittlung», so Altenburger, «bildet das eigentliche Rückgrat unseres Geschäfts. Darum sind wir auf Partner angewiesen, die auch in abgelegenen Regionen zuverlässig höchste Verfügbarkeit garantieren.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Logistik als Knackpunkt Logistik als Knackpunkt Die wichtigsten Flaschenhälse beim Warenfluss der OFAG bilden die Auftragsbearbeitung und -auslieferung im Lager, da die Bestellungen zu einem grossen Teil zwischen 16:30 und 18 Uhr eingehen. Insbesondere die direkte Bedienung der Elektriker auf den Baustellen stellt trotz GPS-Einsatz hohe Ansprüche an die Fahrer. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist die Kommissionierung weitgehend automatisiert worden. Ins Lager gehen die Aufträge heute zu weit über 90 Prozent bearbeitungsfrei, und zwar online direkt an die Lageristen. Diese verfügen über Handhelds, auf denen die erweiterte ERP-Lösung läuft. Alle Aufträge werden gescannt und sind somit bis zur Übergabe an den Elektriker im ERP nachvollziehbar. Damit ist die früher übliche Auftragsbearbeitung mit Rüstzetteln komplett ausgeschaltet worden. Mehrere Aufträge lassen sich gleichzeitig bearbeiten, weil ähnliche Bestellungen zusammengefasst werden und der Handheld die Mitarbeiter durchs Lager führt. Auch die Fahrer verarbeiten über die Handhelds ebenfalls zu 100 Prozent ihre Transportaufträge elektronisch, was unter anderem auch detaillierte Informationen zu den Abladeorten einschliesst und die Rückspeisung der Abladeinformationen aufs ERP-System ermöglicht. Diese durchgängige End-to-End-Lösung hat dem Elektrogrosshändler letztlich auch den ersten Platz im diesjährigen Swisscom Business Award in der Kategorie Handel & Logistik eingebracht. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Auslieferung vereinfachen Die Auslieferung vereinfachen Es bestehe aber nach wie vor Optimierungspotenzial, merkt Altenburger an. Zum einen werden immer noch einzelne Prozesse «stand-alone» abgewickelt, sind also noch nicht ins Internet integriert. Andererseits ist man gerade dabei, die Auslieferung noch effizienter zu machen. Da die Abladeorte beispielsweise grössere Baustellen oder einzelne Wohnungen, in denen renoviert wird, sein können, ist es oft schwierig, den genauen Standort zu finden. Hinzu kommt, dass möglicherweise eine Lieferadresse in einem Funkloch liegt. Damit derartige Probleme nicht zu teuren Fehllieferungen führen, sinnt man bei der OFAG auf Abhilfe. In der Testphase läuft derzeit ein Tool, das die Interaktion mit den Fahrern bis zum Abladen der Waren verbessern soll. Das Ziel ist, noch präzisere Angaben zum Standort des Kunden etwa durch die Einbindung von Google Earth an den Fahrer zu liefern. Zudem sollen sich die Aussendienstmitarbeiter stärker an den Bedürfnissen der Fahrer orientieren, indem sie beispielsweise Fotos von den Baustellen direkt an einen Auftrag anhängen können. Auch diese Prozessverbesserungen, wiederholt Altenburger das Credo der OFAG, dienten allein dem weiteren Ausbau der Dienstleistungen für die Kunden. Zum Autor: Volker Richert ist freier Journalist. Der Beitrag entstand im Auftrag  der Swisscom (Schweiz) AG, Grossunternehmen  (www.swisscom.ch/grossunternehmen)


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