02.02.2015, 13:05 Uhr

Cloud-ERPs - wer hat die Nase vorn?

Bei vielen Schweizer Kunden laufen zurzeit die ERP-Verträge aus. Jetzt stellt sich die Gretchenfrage: on-premise oder Cloud? Welche ERP-Cloud-Anbieter sind die besten, worauf muss man achten?
Viele Unternehmen haben ihre ERP-Verträge um das Jahr 2000 herum abgeschlossen. Der Millennium-Bug, also ein zu kurz bemessenes Datumsfeld, geisterte damals durch die IT-Branche und mag als zusätzlicher Motivationsschub gewirkt haben, neue Verträge abzuschliessen. Bei einer typischen Laufzeit von zehn bis 15 Jahren stehen die Kunden daher heute vor der Frage: Weiter auf on-premise setzen, oder doch lieber zu einem SaaS-ERP aus der Cloud greifen? Der aktuelle Zeitpunkt werde vielerorts zu einem Wechsel der Software führen, sagt Oliver Giering, Analyst bei Experton. Die Wahl falle nun entweder erneut auf On-premise-Angebote, oder auf weitaus stärker standardisierte On-Demand-Lösungen aus der Cloud. ERPs aus der Cloud sind letztlich immer noch Software von der Stange. Viele Unternehmen erwarten von ihrer ERP-Lösung jedoch einen extrem hohen Individualisierungsgrad, der es ihnen erlaubt, ihre Geschäftsprozesse individuell abzubilden. Gegenüber Standard-Software sind sie skeptisch eingestellt. Sehr kleine und mittelständische Schweizer Firmen lassen sich vom flexiblem, kostengünstigeren "Bezahlen nach Verbrauch"-Modell der Cloud-Anbieter überzeugen, und nehmen die Einschränkungen im Grad der Individualisierung billigend in Kauf. Ausserdem lockt eine kurze "Time to Market". Auf Anbieterseite teilt sich der Schweizer ERP-Markt in etwa 100 kleinere ERP-Branchenspezialisten auf, die durch ihr Markt- und Branchen-Knowhow oft sehr erfolgreich die Kundschaft überzeugen. Bei diesen Schweizer Branchenspezialisten fühlen sich kleine und mittelständische Schweizer Firmen sehr gut aufgehoben. Oft besser als bei den grossen Schwergeswichte, die wiederum versuchen, durch eine Modularisierung ihres Angebotes und eine Entwicklungsumgebung (PaaS) den Nachteil der hohen Standardisierung auszugleichen. Das Analystenhaus Experton hat den Cloud-ERP-Markt evaluiert. Fünf von insgesamt 14 marktrelevanten Anbietern sieht Experton im Leader-Quadranten positioniert. Leitend waren dabei Bewertungskriterien wie Ergonomie, Funktionsumfang, modularer Aufbau, Integration von Trends (wie Social Media, Big Data, Mobile), das Preisniveau und last but not least Migrationspfade, die Kunden dabei unterstützen, möglichst unterbruchfrei von on-premise in die Cloud zu umzuziehen. Enorme Summen investiert Der ERP-Weltmarkführer SAP steht insbesonders im Mittelstand oft in der Kritik. Trotzdem hat sich SAP mit seinem Cloud-ERP Business ByDesign (ByD) deutlich im Leader-Quadranten positioniert und führt zusammen mit der britischen Sage den Markt an. Das modular aufgebaute ByD schnitt sowohl punkto Portfolio-Attraktivität als auch punkto Wettbewerbsstärke überdurchschnittlich gut ab. SAP tat sich mit Business ByDesign lange Zeit schwer schwer und hatte mit Performance-Problemen zu kämpfen. ByD war für das Cloud-Beschaffungsmodell zu voluminös und zu behäbig. Aber jetzt steht die Lösung. "Die Software bietet einen sehr hohen Funktionsumfang hinsichtlich der Vertriebssteuerung, der Personalverwaltung, beim Projektmanagement und der Lieferketten-Übersicht, (...) kombiniert mit schneller Verfügbarkeit, flexiblen und geringeren Kosten und mobilen Einsatzszenarien", resümiert Experton-Analyst Giering. Die enormen Summen, die in die Entwicklung der Lösung geflossen seien, machten sich an dieser Stelle deutlich bemerkbar. Unangefochtener Marktführer ist SAP in der Cloud jedoch nicht. Nächste Seite: Sage und die drei besten Schweizer ERPs Unangefochtener Marktführer ist SAP in der Cloud jedoch nicht. Walldorf liefert sich in der Schweiz mit der britischen Sage ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen. SAP führt leicht punkto Portfolio-Attraktivität, dafür hat Sage bei der Wettbewerbsstärke die Nase vorn (Sage Office Line 24). Als weltweit grrösster Anbieter für KMU-Software wagte Sage den Schritt in die Cloud später als die Konkurrenz. Das wirkle sich jedoch nicht negativ aus, sagt Giering. Die Hauptmodule Warenwirtschaft und Rechnungswesen liessen sich durch ihren modularen Aufbau zweckentsprechend erweitern und offerierten dadurch einen hohen Funktionsumfang, kombiniert mit grosser Flexibilität. Lediglich die Integration von Social-Funktionalität sei noch nicht umgesetzt. Sage-Plus: Wartung Die Möglichkeiten zur Individualisierung seien somit gegeben, resümiert Giering. Mehrmandanten-, Fremdsprachen- und Fremdwährungsfähigkeiten unterstützen Firmen, die international operieren. Jean-Jacques Suter, Country Leader von Sage Schweiz, bringt gegenüber CW einen weiteren Vorteil ins Spiel. Besonders kleineren Firmen biete man nicht nur technischen, sondern auch betriebswirtschaftlichen Support. Bei den Kleineren mache das sogar den Löwenanteil der Wartung aus. Da wird auch schon einmal erklärt, wie man einen Jahresabschluss hinbekommt und was dabei zu beachten ist. Der Schweizer Anbieter myfactory hat schon sehr früh, also seit 2009, ausschliesslich auf die Cloud gesetzt. Unter anderem CRM und ERP gehören zur Lösungspalette. Damit gehört myfactory zu den Vorreitern in der Schweiz, wo Cloud-ERP und Cloud-CRM lange Zeit nur sehr zögerlich eingesetzt wurden. Aber das eisige Misstrauen gegenüber der Cloud ist über die Jahre geschmolzen. Die Ausdauer von myfactory hat sich gelohnt und trägt mittlerweile reiche Früchte. Heute bedient das Unternehmen 400 Kunden in der Schweiz und etwa 3800 in der gesamten DACH-Region. Der typische Myfactory-Kunde sei ein KMU, das zwischen vier und 20 User beschäftige, sagte CEO David Lauchenauer zu CW. Die meisten buchen das gesamte Software-Portfolio, also unter anderem ERP, CRM, Projektverwaltung, Personalverwaltung und mobile Business-Apps. Die drei besten Schweizer ERPs Myfactory wird in der Swisscom-Cloud gehostet. In der ERP-Zufriedenheitsstudie von Trovarit vom Herbst letzten Jahrs gehörte die Firma zusammen mit work4all und Opacc zu den drei besten ERP-Lösungen, die der Schweizer Markt zu bieten hat. Der Schweizer Anbieter Opacc glänzt bei Trovarit vor allem mit einer sehr guten Updaten-Fähigkeit und mobilen Einsatzfähigkeit. Bei Trovarit standen ERP-Lösungen, die in der Cloud und o-premise laufen, auf dem Prüfstand. Als "Rising Star" im Cloud-ERP-Markt kürt Experton den amerikanischen Software-Anbieter Infor. Die Cloud-Suite, erst seit Anfang dieses Jahres auf dem Markt, sei sehr umfassend aufgestellt und biete unterschiedlichste Module, um den ERP-Bereich angemessen abdecken zu können. Man wollle bei Infor bewusst Applikationen im SaaS-Segment anbieten, die auch mit geschäftskritischen Daten hantieren, um zu beweisen, dass auch in diesem Marktsegment umgedacht werden müsse und die Sicherheit der Daten mittlerweile gewährleistet sei, resümiert Giering. Der "ganzheitliche Ansatz der Lösung" zeichne sich vor allen Dingen dadurch aus, dass die Individualität der Kunden in ihren ERP-Geschäftsprozessen gewährleistet werden soll. Als einzigen Wermutstropfen bewertet Giering, dass Infor zurzeit noch über die Amazon-Web- Service-Rechenzentren, also im Klartext von den Amerikanern, gehostet werde. Auch an der Wettbewerbsstärke fehlt es selbstredend noch. Infors Cloud-Suite ist ja erst seit wenigen Wochen auf dem Markt.


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