Stark im Team 06.12.2010, 06:00 Uhr

SharePoint im Facebook-Look

Dank neuer, an Facebook angelehnter Social-Media-Funktionen wird SharePoint zur unternehmensweiten Collaboration-Plattform.
Nahezu jeder vierte Schweizer ist bei Facebook aktiv. Unternehmen, die ein eigenes Mitarbeiterportal aufbauen möchten, sollten sich dies zunutze machen: Wenn sich die firmeninternen Informationen und Dateien im gewohnten Facebook-Feeling mit den Kollegen teilen lassen, wird das neue Collaboration-Portal auch akzeptiert und genutzt. Dieses Kalkül hatte wohl auch der Software-Riese Microsoft im Hinterkopf, als er mit der neuen Version von SharePoint 2010 diverse «Enterprise 2.0»-Funktionen lancierte. Nach Einschätzung der Analysten von Gartner ist Microsoft damit dem Markt voraus: In der jüngsten Gartner-Studie zu Social Software in Unternehmen bewerten die Analysten Share­Point als marktführend. Schon die Vorgängerversion sei weltweit in nahezu 50 Prozent aller Firmen und Organisationen im Einsatz, schreibt Gartner. In der neuen Version sind jetzt weitere Enterprise-Funktionen hinzugekommen, etwa die Textverarbeitung im Browserfenster, Echtzeitzusammenarbeit, dynamische Profilansichten und der Zugriff über das Mobiltelefon. Hinzu kommt, dass SharePoint mittlerweile aus einem grossen Ökosystem aus Drittanbietern gespeist wird, die eigene Lösungen sowie Entwicklungen beisteuern. Indes, so Gartner, sei der Segen auch ein Fluch: Wer spezielle Funktionen etwa zum Abbilden von Geschäftsprozessen innerhalb von SharePoint benötige, müsse bei Updates auf die nächste Version mit Prob­lemen bei den Eigenentwicklungen rechnen. Generell gilt: Mit dem Aufspielen der Software ist es bei SharePoint nicht getan. «Das Managen und die Governance grosser SharePoint-Farmen erfordern viel technische Kenntnis», erklärt Gartner-Analyst Nikos Drakos. Überdies sei SharePoint noch immer nach Dateien und Verzeichnissen sortiert, was angesichts semantisch verknüpfter Inhalte im Social Web nicht mehr zeitgemäss sei. Auch hier helfen Lösungen von Drittanbietern, beispielweise vom Basler Hersteller itsystems. Nächste Seite: von Facebook lernen

Bei den «Enterprise 2.0»-Funktionen stand das weltweit grösste soziale Netzwerk Facebook Pate. Unternehmen können jetzt zum Beispiel eine Facebook-ähnliche Kommunikationsplattform für ihre Mitarbeiter einrichten. Ein solches Portal enthält zum Beispiel Informationen über die Tätigkeitsbereiche und Kompetenzen der Angestellten, die es einem Projektleiter leicht machen, kompetente Kollegen für ein geplantes Projekt auszusuchen. Die passenden Informa­tionen stehen auf den «My Sites».
Das grösste Problem dieser Benutzerprofilseiten war bisher der immense Pflegeaufwand. Die Mitarbeiter mussten sämtliche Informationen wie Jobfunktion, Tätigkeitsschwerpunkte, Kompetenzen, Abschlüsse etc. selbst eintragen. Mit dem neuen Ansatz, den viele Benutzer aus Facebook kennen, soll sich das ändern. Microsoft setzt dabei auf Automatismen wie die «Activity Feeds». Sie stellen dar, mit welchen Themen, Inhalten oder Personen sich der Benutzer aktuell beschäftigt. Der aus der Vorversion bekannte «Organization Browser» zur Darstellung der Firmenorganisation erscheint nun im Silverlight-Gewand: Profilfotos und Unternehmenshierarchie werden auf einen Blick angezeigt. Das Vernetzen von Mitarbeitern und Themen wird transparenter, im Firmenportal gespeichertes Wissen lässt sich so schneller ermitteln. Von populären Netzwerken abgeschaut hat man sich auch Profiloptionen wie Echtzeitkommentare, Blogs, Wikis, Bewertungen, Tagging, Update-Benachrichtigung und Gruppen. Neu in Version 2010 ist zudem, dass Benutzer multime­diale Inhalte wie Fotos und Videos von anderen Plattformen in ihre «My Site» einbinden können – wenn die Unternehmensrichtlinien das zulassen. Die granulare Berechtigungssteuerung für Profile und Inhalte kann mithilfe des Active Directorys zentral administriert werden. Nächste Seite: Businessnutzen beweisen

Die vom Benutzer gepflegten Inhalte machen SharePoint-Seiten für Anwender attraktiv, so die Überlegung bei Microsoft. Um Unternehmen aber vom Wert eines «internen Facebook» zu überzeugen, müssen Businessfunktionen vorhanden sein. Auch in diesem Punkt hat sich einiges getan: SharePoint ist stärker als bisher in die sta­tionäre und mobile Unternehmensinfrastruktur eingebunden – immer vorausgesetzt, diese stammt von Microsoft. Beispielsweise können Anwender aus dem «Backstage»-Bereich von Office 2010 heraus Dokumente direkt auf ihrer «My Site» veröffentlichen. Mithilfe von «SharePoint Workspace» – bisher als Groove bekannt – können ausserdem komplette Bibliotheken synchronisiert werden. Für den Zugriff vom Handy aus ist auf Windows Phone 7 ein SharePoint-Client standardmässig vorinstalliert. Aufgebohrt hat Microsoft zudem die Dokumenten-Management-Funktionen. War die Lösung in der Vergangenheit eher für Arbeitsgruppen und kleinere Firmen konzipiert, können nun Ablagen für Millionen von Dateien effektiv verwaltet, katalogisiert und durchsucht werden. SharePoint verdankt dies seinem 64-Bit-Fundament. Das gilt allerdings nur, wenn auch die Portale auf 64-Bit-Hardware und einem 64-Bit-SQL-Server aufsetzen. Beides ist mit zusätz­lichen Investitionen verbunden.
Die Fähigkeit, mit grösseren Datenbeständen umgehen zu können, verdankt SharePoint aber auch der verbesserten Suchtechnologie. Die frühere Suche hatte Probleme bei Repositories mit mehr als 50 Millionen Dokumenten. Solche Grenzen fallen mit der vom Hersteller Fast zugekauften Technologie «Fast Search for SharePoint» weg. Unternehmen können damit eine Enterprise-Suchmaschine realisieren, die Inhalte nicht nur aus SharePoint, sondern aus beliebigen strukturierten und unstrukturierten Datenquellen erfasst – auch aus CRM oder ERP. Abfragen nach Qualifikationen von Mitarbeitern können nun auch gespeichert werden. Mittels abonnierten RSS-Feeds benachrichtigt die Plattform den User dann automatisch, wenn ein Kollege eine bestimmte Kompetenz in sein Profil einträgt – die Profilansichten sind also dynamisch. Arbeitsgruppen müssen ihre Office-Dokumente künftig auch nicht mehr per E-Mail verteilen. Es genügt ein Upload auf den SharePoint-Server. Mithilfe der Browserversionen von Word, Excel, PowerPoint und OneNote – die Bestandteile von SharePoint sind – bearbeiten Anwender ihre Daten gemeinsam mit den Kollegen. Unternehmen implementieren mithilfe der SharePoint-Variante auch Compliance-Richtlinien für den Zugriff auf die Dokumente. Nächste Seite: Lockangebot für Einsteiger

Microsoft lockt seine Kunden mit den neuen Businessfunktionen auf die SharePoint-Plattform. Wer nun hohe Lizenzkosten erwartet, wird positiv überrascht: SharePoint Foundation ist für Windows-Server-Besitzer gratis – allerdings nur für 64-Bit-Systeme. Das gilt für Betriebssystem und den SQL-Server. Wie bei Windows Share­Point Services ist der Leistungsumfang im Vergleich zum ausgewachsenen SharePoint-Server jedoch abgespeckt – die wichtigsten Social-Computing- und ECM-Funktionen sind aber dabei. Für die Office Web Apps fallen allerdings Desktop-Lizenzen der Office-Produkte an. IT-Verantwortliche, die eine SharePoint-Installation ins Auge fassen, müssen sich jedoch über eines im Klaren sein: Die Einführung von SharePoint ist nicht mit der Bereitstellung abgeschlossen. «Die Plattform verändert die Arbeitsweise der Mitarbeiter», weiss Boris Ovcak, Manager Business Process Automation beim IT-Systemhaus Campana & Schott aus Erfahrung. Er empfiehlt als Ausgangspunkt jeder SharePoint-Implementierung bereits dokumentierte, zumindest aber von den Mitarbeitern schon gelebte Geschäftsprozesse.

Alternative Facebook?

Seit Kurzem bietet auch Face­book eine geschlossene Collaboration-Plattform an. Auch wenn die «Facebook Groups» im Enterprise-Umfeld noch wenig verbreitet sind, eignen sie sich aus technischer Perspektive durchaus zum gemeinsamen Arbeiten und Austausch von Inhalten – dank Microsofts Docs.com, einem rudimen­tären Web-Office-Paket auch inkl. Text-, Tabellenbearbeitung und Präsentationen. Face­books Vorteil: Die Mitarbeiter müssen nicht auf eine neue Plattform umsteigen. Unumgänglich sind jedoch unternehmensinterne Nutzungsvorgaben bzw. ein zweites, rein beruflich genutztes Konto. Marktbeobachter wie Sameer Patel vom IT-Beratungsunternehmen Sovos Group sprechen «Facebook Groups» die Enterprise­-Tauglich­keit zwar noch ab. Hauptzweck des Social Networkings in Firmen sei das Identifizieren von Expertise im Kollegenkreis. In der aktuellen Konstellation – mit vornehmlich privaten Facebook-Konten – könnten die Gruppen dies nicht leisten. «Die Personalabteilung hätte wohl auch etwas dagegen, wenn Mitarbeiter ihre Profile um Informationen zu firmeninternen Kompetenzen ergänzten», meint Patel. Daneben fehlen Funktionen für zentral gesteuerte Zugriffsberechtigungen. Sollte sich Facebook indes für Unternehmenskunden öffnen wollen, dürften angesichts der Innovationsgeschwindigkeit im Social Web die Mängel schnell behoben sein.


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