20.11.2014, 15:18 Uhr

Sieben All-Flash-Array-Mythen zerschmettert

Der Nutzen von All-Flash-Arrays als Storage für wenige, sehr spezifische Einsatzzwecke ist im Vergleich zur herkömmlichen Festplatte unbestritten. Alle Anwendungen auf ein Flash-Array zu speichern, ist jedoch falsch. Dieser Beitrag analysiert die sieben häufigsten Mythen rund um Flash-Storage.
Oliver Walsdorf ist EMEA Pre-Sales Consultant bei X-IO. Bei der Server-Virtualisierung konsolidieren Hypervisoren Server, die Zahl der Datenzugriffe auf dem Speicher steigt, und die Zugriffe sollen immer schneller geschehen. Das Angebot für Storage hinkt diesen aktuellen Anforderungen vieler Unternehmen gemäss dem Mooreschen Gesetz hinterher. Daher denken viele, dass es einer neuen, latenzarmen Technologie mit hoher I/O-Leistung bedarf, damit die Speicherebene wieder gleichziehen kann. Aufgrund der rückläufigen Preise für NAND-Speicher wurde der Markt mit einer neuen Kategorie von Enterprise-Storage-Lösungen überflutet: den «All-Flash-Arrays». Diese Speicher-Arrays bestehen komplett aus Flash-Speicher - entweder proprietären Flash-Modulen oder SSD-Laufwerken. Und sie sollen die Lücke zwischen Storage- und Prozessorebene schliessen. Dies wiederum führte zu einer veränderten Preisanalyse bei der Anschaffung von Storage-Lösungen: In der Vergangenheit wurde Speicher vor allem anhand der Kennzahl Preis/Gigabyte verglichen. Seit der Einführung von Flash-basierten Lösungen werden dagegen die Kosten zunehmend am Wert Preis/IOPS gemessen.

Flash-Speicher kann aber kostspielig und unsicher sein, manchmal beides zugleich. Und abgesehen von einer deutlich höheren Leistung unter bestimmten Bedingungen, auf die wir noch zu sprechen kommen, gibt es kaum Belege für konkrete Kosteneinsparungen. Das Wissen über Flash in der Branche wächst zwar; aber die folgenden Aussagen hört man immer wieder:
  • Mythos 1: HDD-Arrays sind veraltet - die Zukunft gehört Flash.
  • Mythos 2: Flash-Drives in Consumer-Qualität sind für die meisten Unternehmen gut genug.
  • Mythos 3: Die meisten Unternehmen brauchen mehr Performance.
Schauen wir uns diese Mythen im Detail an und stellen sie den Ergebnissen einer im Jahr 2013 durchgeführten Studie des Forschungsinstituts Vanson Bourne gegenüber. Befragt wurden in einer national repräsentativen Stichprobe 100 britische IT-Manager aus Wirtschaftssektoren wie Finanzen, Produktion, Einzelhandel, Vertrieb und Logistik sowie der gewerblichen Wirtschaft mit mindestens 1000 Mitarbeitern. Die hohen Anschaffungskosten von All-Flash-Arrays sind für drei Viertel der Befragten (75 Prozent) das wichtigstes Gegenargument gegen diese Speicherbausteine. Auch die Tatsache, dass All-Flash-Arrays neu und unerprobt sind, sorgt bei mehr als der Hälfte der Befragten (56 Prozent) für Bedenken. Dass für 99 Prozent Consumer-Flash-Drives im Unternehmen keineswegs die gewünschte Option sind, zeigt: Fachleute wissen, dass Flash-Speichermodule auf andere Weise ausfallen und Daten schwieriger wiederherzustellen sind. Nächste Seite: Mythen ohne Ende Diese Zusammenfassung legt also, im Gegensatz zu Mythos 1, sogar die Schlussfolgerung nahe, dass eine weit verbreitete Nutzung von All-Flash-Storage in relativ weiter Ferne liegt. All-Flash-Arrays sind für viele der heute aktuellen Geschäftsherausforderungen einfach nicht ideal. Fast drei Viertel der Befragten würden sich statt für ein reines Flash-Array viel eher für klassische Festplatten (HDD) mit SSD-Cache oder Hybridlösungen aus Flash und HDD entscheiden.

Das führt uns zu weiteren vier Mythen. Denn auch darüber, was All-Flash Arrays von Hybridspeichern unterscheidet, gibt es gängige Fehleinschätzungen, die Anwender auf die falsche Fährte locken sollen.
  • Mythos 4: All-Flash ist schneller als Hybridspeicher.
  • Mythos 5: All-Flash verbraucht weniger Energie als Hybridspeicher.
  • Mythos 6: All-Flash ist zuverlässiger als Hybridspeicher.
  • Mythos 7: All-Flash ist nicht teurer als Hybridspeicher.
Auch diese Behauptungen treffen entweder nicht zu oder stellen zumindest grobe Verallgemeinerungen dar. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass All-Flash-Arrays nicht unbedingt schneller, günstiger oder besser sind als Hybrid-Arrays. In vielen realen Konfigurationen in Unternehmen können All-Flash-Arrays einigen klassischen HDD-Lösungen nicht das Wasser reichen. Nächste Seite: Mythos 1 und 2

Mythos 1: HDD-Arrays sind veraltet - die Zukunft gehört Flash

Nachdem All-Flash-Arrays in aller Munde sind, sollte man annehmen, dass es viele Anwender kaum erwarten können, die neue Technologie einzusetzen. Die Studie zeugt vom Gegenteil: Reine Flash-Lösungen werden nur von 14 Prozent als ideale Storage-Lösung genannt. Hybridspeicher und HDD-Arrays mit Cache werden fast fünfmal so oft genannt (73 Prozent), Hybridspeicher mit Echtzeit-Tiering sind darunter die am häufigsten bevorzugte Option (44 Prozent) und somit dreimal so beliebt wie reine Flash-Lösungen (15 Prozent). Reine HDD-Lösungen haben mit 12 Prozent nicht viel weniger Anhänger. Ergo: Das höhere IT-Management steht All-Flash-Arrays skeptisch gegenüber.

Mythos 2: Flash-Drives in Consumer-Qualität sind für die meisten Unternehmen gut genug

Der Einsatz von kostengünstigem Flash-Speicher in Enterprise-Arrays ist eine der Möglichkeiten, die Listenpreise auf das Niveau von HDD- und Hybrid-Arrays für Unternehmensanwendungen zu senken. Interessanterweise sprechen einige Anbieter offen über den kostengünstigen Flash-Speicher in ihren Produkten, der im Zusammenhang mit der eingesetzten Software trotzdem sicher arbeiten soll. Wenn es aber um die grundlegende Architektur geht, bleiben sie in ihren Aussagen bewusst vage. Das mit diesem Konzept einhergehende Risiko ist anscheinend vielen befragten Inhouse-IT-Experten bewusst. Nur ein Prozent der Befragten gibt an, dass sie in ihrem Unternehmen ein All-Flash-Array mit Speichermodulen in Consumer-Qualität verwenden wollten. Nächste Seite: Mythos 3 und 4

Mythos 3: Die meisten Unternehmen brauchen mehr Performance

Während ein IT-Administrator eine hohe Leistung einer weniger hohen Leistung grundsätzlich immer vorzieht, richtet ein erfahrener Manager sein Augenmerk auch auf das Preis-Leistungs-Verhältnis und fragt sich: Welche Leistung ist wirklich für das Geschäft notwendig?

Laut der Umfrage liegt die durchschnittliche Zugriffsspitze bei 54'000 IOPS. Nur 10 Prozent der befragten Unternehmen überschreiten 100.000 IOPS. Nur diese stossen somit in den Bereich vor, in dem sich eine All-Flash-Lösung auszahlen könnte. In den meisten Unternehmen besteht also offensichtlich gar nicht der Bedarf an jener extrem hohen Leistung, die All-Flash-Arrays bieten.

Mythos 4: All-Flash ist schneller als Hybridspeicher

Im Vergleich zu Hybridlösungen halten viele IT-Profis die Geschwindigkeit von All-Flash-Arrays für den wichtigsten Unterschied zwischen diesen beiden Technologien. Bei der Leistungsbewertung eines bestimmten Speichersystems gilt es jedoch viele weitere Faktoren zu berücksichtigen. Es ist zum Beispiel falsch, die Speicher-Performance nur anhand von IOPS zu bewerten, denn auch die insgesamt verfügbare Bandbreite ist ein kritischer Faktor: Sie kann sich in bestimmten Einsatzszenarien, wie beim Zugriff auf das Dateisystem oder Video-Streaming, erheblich auswirken und verhindern, dass die IOPS am Front-End auch wirklich ankommen. Ein anderes Beispiel: Bei zufälligen Lesevorgängen ist Flash bekanntermassen latenzärmer. Unter anderen Umständen, insbesondere bei sequenziellen Schreibvorgängen, sind SSDs aber allenfalls genauso schnell, oft sogar langsamer als HDD-Arrays hoher Qualität. Daher spielen Benchmarks und abstrakte Performance-Analysen einzelner Werte eine geringe Rolle. Um herauszufinden, ob ein All-Flash-Speicher mehr leistet als ein Hybridspeicher, sollten die Unternehmen die Technologien unter ihren realen Bedingungen testen und messen, welche Leistung am Ende bei der Applikation und beim Anwender ankommt. Nächste Seite: Mythos 5 und 6

Mythos 5: All-Flash verbraucht weniger Energie als Hybridspeicher

Ein geringer Stromverbrauch und Kühlbedarf werden als Betriebskostenvorteile reiner Flash-Lösungen angepriesen. Der wahre Kern dieses Mythos: Flash-Speicher enthalten keine beweglichen Teile. Daher gehen viele davon aus, dass sie weniger Strom verbrauchen, einfacher zu kühlen und daher im Betrieb günstiger sind als rotierende Festplatten. In Praxistests vergleichbarer Systeme hat sich jedoch herausgestellt, dass Hybrid-Arrays halb soviel Strom verbrauchen wie reine Flash-Arrays. Das hat einen einfachen Grund: Als Einzelkomponenten verbrauchen Flash-Module oder SSDs zwar weniger Strom als Festplatten. Doch Enterprise-Speicher bestehen eben nicht nur aus Datenträgern. Es sind Prozessoren verbaut, manchmal auch grosse Mengen von Cache-Speicher. Jede dieser Zusatzkomponenten verbraucht Energie, sodass im Endeffekt All-Flash-Arrays durchschnittlich doppelt so viel Strom verbrauchen wie echte Hybrid-Arrays und auch entsprechend stärker gekühlt werden müssen.

Mythos 6: All-Flash ist zuverlässiger als Hybridspeicher

Viele IT-Profis würden der Behauptung zustimmen, Festplatten seien im Grunde nicht zuverlässig, weil sie immer wieder erleben, wie diese ausfallen. Der Grund ist ähnlich wie beim Einsatz von Consumer-Flash: Viele Hersteller senken ihre Bauteilkosten, indem sie SATA-Laufwerke für Consumer-Anwendungen als Enterprise-tauglich darstellen. Dies führt dazu, dass in vielen Rechenzentren Festplatten als das «schwache Glied» gelten. Das eigentliche Problem ist jedoch der Einsatz ungeeigneter Festplatten. Auch auf der Ebene des Arrays lässt sich auf Herstellerseite viel tun, um den Ausfall oder Leistungsabfall von HDDs über Jahre hinweg nahezu auszuschliessen. Zu den wichtigsten Massnahmen gehören eine ausgereifte Vibrationsdämpfung und eine Hardwarearchitektur mit ausreichender Kühlung. Darüber hinaus kann die Ausfallrate von Festplatten auf 0,1 Prozent pro Jahr gesenkt werden, wenn man selbstheilende Technologien nutzt, die scheinbar defekte HDDs wieder instand setzen. Flash-Arrays haben dagegen in aller Regel eine kurze Lebensdauer - kürzer als Hybridspeicher, vor allem aufgrund hinlänglich bekannter Probleme wie der Ausfälle von NAND-Speicherzellen aus Silizium. Nächste Seite: Mythos 7 und Fazit

Mythos 7: All-Flash ist nicht teurer als Hybridspeicher

Die Behauptung, All-Flash-Lösungen seien preislich mit HDD-Arrays vergleichbar, bedarf einer Analyse. Neben dem Einsatz untauglicher Consumer-Hardware implizieren solche Kostenangaben oft eine nachträgliche Deduplizierung und Datenkompression, um die für die Datenbestände erforderliche Bruttospeicherkapazität zu minimieren. Während man bei einigen niederperformanten Workloads tatsächlich von diesen Methoden profitiert, hängt das Gesamtresultat wiederum von den Praxisbedingungen ab. Manche Einkäufer gehen diesem Verkaufstrick kurzfristig auf den Leim. Doch wer eine Bedarfsanalyse und Praxistests durchführt, merkt, dass die Wahrheit anders aussieht. Hybridspeicher liegen beim Preis-Leistungs-Verhältnis für fast alle Umgebungen und Konfigurationen um ein Vielfaches vor All-Flash-Arrays.

Fazit: keine Lösung, sondern ein Tool

In der Gesamtschau haben die sieben Mythen einen gemeinsamen Kern: Sie nähren sich von der Illusion, Flash sei eine Lösung. Doch Flash löst keine Probleme, sondern ist ein Teil der Lösung. Storage-Architekten und Einkäufer, die genau hinschauen und testen, werden feststellen, dass Flash ein Tool ist.


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