15.06.2015, 15:35 Uhr

Oracle, SAP und Microsoft richtig lizensieren

Schweizer Unternehmen buttern Unsummen in den Lizenzgebührentopf. Trotzdem kommt es immer wieder zu Falschlizenisierungen. Computerworld zeigt, wie Unternehmen kostspieligen Ärger vermeiden.
Häufig geben Firmen bis zu siebenstellige Frankenbeträge für Lizenzgebühren aus, die in die Taschen der Software-Anbieter fliessen. Unternehmen erwerben damit das Recht, komplexe Business-Software zu nutzen und kaufen in der Regel Wartung und Support gleich mit ein. Wer zu viel zahlt, schmeisst Geld «aus dem Fenster» (Überlizenzierung). Wer unterlizenziert, riskiert Nach- und Strafzahlungen vonseiten der Software-Anbieter. Wie aber lizenziert man Software von Microsoft, SAP oder Oracle richtig? «Das ist ein vielschichtiges Thema», sagt Michael Paege, stellvertretender Vorsitzender und Leiter «Competence Center Lizenzierung» bei der deutschsprachigen Oracle Anwendergruppe (DOAG). Knirscht es bei den Lizenzen, dann wäre es falsch, die Schuld nur beim Anbieter oder nur beim Kunden zu suchen. Paege nimmt beide in die Pflicht. Bei vielen Firmen sei das Ziel, korrekt zu lizensieren (Compliance), noch nicht so stark verankert. Auf der anderen Seite mache es Oracle seinen Kunden aber auch leicht, Software zu benutzen, die sie gar nicht lizenziert haben. Denn die Programme sind nicht gesperrt. Häufig werden Änderungen an der IT-Landschaft durchgeführt, ohne die lizenzrechtlichen Konsequenzen zu bedenken, erzählt Paege aus der Praxis. Das dicke Ende droht dann spätestens beim nächsten Audit, wenn Software-Anbieter wie Oracle die korrekte Lizenzierung ihrer Kunden überprüfen.  Erst kürzlich sorgte VMware mit neuen Versionen seiner Managementplattform «vCenter» für Furore und Verunsicherung bei den Kunden. Was VMware mit Oracle zu tun hat? «90 Prozent der Oracle-Kunden virtualisieren ihre An­wendungen und von denen setzen 80 Prozent Vir­tualisierungstechnologie von VMware ein», schätzt Paege. Seit dem VMware-Release 5.1 kann über die Cluster-Grenzen hinweg migriert werden. Nur hat die Sache einen Haken: Laut Oracles Lizenzierungsreglement mssten nun auch alle berhaupt mglichen Migrationsziele mitlizenziert werden. Das ist so, als müsste man in einem riesigen Parkhaus nicht nur ein Ticket für den eigenen Parkplatz lösen, sondern für alle anderen Parkplätze auch, weil man ja auch dort hätte parkieren können. In Einzelfällen könnten die Lizenzgebühren um mehr als das Hundertfache steigen ? bei gleicher Oracle-Software. 

Oracles Lizenzproblem

Oracle-Schweiz-Chef Hanspeter Kipfer ist von dieser Situation natürlich nicht begeistert. «Wir sprechen mit unseren Kunden und werden eine gute Lösung finden», versicherte Kipfer während eines Redaktionsbesuchs bei Computerworld. Oracle ist nichts daran gelegen, praktisch unter der Hand eine Lizenzerhöhung durch­zusetzen und verortet den Schuldigen bei VMware. Der Virtualisierungsmarktführer hat mit seinem neuen «vCenter» (Versionen 5.1 bis 5.4 und Version 6) schliesslich das ganze Lizenzchaos angerichtet. Andreas Oczko von der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) ist da anderer Meinung. Oracle sei zu sehr auf Hardware fokussiert und berechne Lizenzgebühren auf Basis von CPUs und Prozessorkernen. Tauschen Kunden ihre Hardware aus, dann verändert sich womöglich auch die Lizenzsumme, obwohl es doch um Software-Lizenzen geht. Das sei der Kern des Lizenzproblems bei Oracle. Bei SAP sei das anders. Der ERP-Weltmarktführer kalkuliert seine Lizenzen auf Grundlage von Usern und User-Typen ? die nach Oczko bessere Lösung. VMwares Virtualisierungstechnologie sei auch bei grösseren SAP-Kunden im Einsatz. Aber die neuen Versionen der Managementplattform «vCenter» hätten keinen Einfluss auf die SAP-Lizenzgebühren. Generell rät Oczko davon ab, Software-Lizenzen an der Hardware-Infrastruktur zu orientieren. Das heisst im Klartext: Oracle trifft zumindest eine Mitschuld am aktuellen Lizenzendurcheinander. Auch Bahadir Durak, Business-Development-Manager beim Technologieberater GSPC in Zug, nimmt die Kunden in Schutz: «Fast alle Kunden, die ich bisher getroffen habe, geben sich grosse Mühe, richtig zu lizenzieren.» Dass das nicht immer funktioniert, dafür sind laut Durak mehrere Gründe verantwortlich. Auf Kundenseite sei das Lizenz-Know-how oft stark unterentwickelt. Zudem hätten viele Firmen keine «Software-Asset-Management»-Prozesse (SAM) integriert, was es schwer macht, den Überblick zu behalten. Dadurch entstünden viele Probleme, die in einer Falschlizenzierung münden. Aber auch die Software-Anbieter nimmt Durak in die Pflicht. Sie änderten zu häufig ihre «Use Rights» sowie die Lizenzierungsmodelle und dächten dabei mehr an das eigene Porte­monnaie als an den Nutzwert für die Kunden. Als Folge seien dann zum Beispiel Software-Installationen technisch möglich, die den Kunden lizenzrechtlich gar nicht erlaubt sind, was dann wieder zur Falschlizenzierung führe. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Keine hohe Priorität

Keine Top-Priorität

«Für den Mittelstand ist Lizenzmanagement oft noch ein Fremdwort», stellt Paege von der DOAG fest. Das Thema Compliance geniesse in vielen Firmen noch keine hohe Priorität. Das kann lange Zeit gut gehen. Es gebe Unternehmen, die werden nie auditiert. Bei anderen findet ein Software-Audit ? also eine Prüfung auf korrekte Lizenzierung ? alle zwei bis drei Jahre statt, berichtet Paege und ergänzt: Oracle habe seine Audit-Abteilung personell stark aufgestockt, oft würden auch die Partner eingebunden. Fliegt eine Falschlizenzierung während eines Audits auf, dann drohen jedoch nicht automatisch Strafen. Das Audit stelle zunächst einmal nur fest, betont Paege. Danach folgen dann individuelle Verhandlungen mit dem Kunden. «Auch wenn die Lizenzierungsmodelle in Ordnung wären, nutzen Software-Anbieter aus, dass die meisten Kunden keine Software-Asset-Management-Prozesse implementiert haben», sagt Business-Development-Manager Durak. Hat der Hersteller das erst einmal bemerkt, kann es vorkommen, dass er ein Audit nach dem anderen durchführt. Auf die Frage nach herstellerneutralen «SAM»-Werkzeugen, mit denen Kunden eine korrekte Lizenzierung überwachen können, antwortet Durak ausweichend: «Leider gibt es kein Tool, das alle Probleme löst. Einige Lösungen punkten bei Microsoft und VMware, andere können Oracle besser». Es sei auch nicht verboten, mehrere Tools gleichzeitig zu benutzen, aber der «SAM»-Prozess sollte der Gleiche sein, empfiehlt er.

Das Hersteller-Komplott

Im Gegensatz zu Oracle stellt SAP seinen Kunden kostenlos eine «Licence Admin Workbench» (LAW) zur Verfügung, mit der sich Lizenzen zählen und verwalten lassen. Aber auch hinter dieser generösen Geste wittert Durak ein Komplott: «In einer Landschaft, in der die Lizenzverkäufer auch die «SAM»-Berater sind, geht das am Ende nie gut für den Endkunden aus», befürchtet Durak. Der Kunde habe das Nach­sehen, aber Hersteller und Reseller hätten zusätzlichen Umsatz eingefahren. «Ich denke, viele Schweizer Firmen kennen diese Situation», so der Business-Development-Manager.
Was sollten Schweizer Unternehmen punkto Software-Lizenzierung also tun? Letztlich gibt es zwei Möglichkeiten: Sie engagieren einen herstellerunabhängigen Berater mit neutralen «SAM»-Tools; oder aber sie bauen intern selbst Lizenz-Know-how auf ? die beste Lösung. Schweizer Grossunternehmen haben das erkannt. Dort steht immer häufiger «Lizenzmanager» auf der Visitenkarte. Dazu braucht es allerdings ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen. Denn allein das Zählen der Lizenzen verursacht in einer komplexen IT-Landschaft hohe Aufwände. «Wir investieren pro Jahr 50'000 Euro plus ein Personenjahr über mehrere Mitarbeiter verteilt für die Führung der Software Assets», erzählt etwa Hans-Joachim Popp, CIO des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), im Gespräch mit unserer Schwesterpublikation «CIO.de». Und sein CIO-Kollege Thomas Schott vom Polymerspezialisten Rehau ergänzt: «Zentral kostet mich das Lizenzmanagement für Microsoft eine komplette Vollzeitstelle.» Der Schweizer Mittelstand jedoch kann nicht auf Ressourcen wie die grossen Unternehmen zurückgreifen. Ihm bleibt die zweitbeste Lösung, einen externen Lizenzberater zu engagieren oder aber das Risiko einer Falschlizenzierung einzugehen.


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