29.10.2014, 15:22 Uhr

In 10 Schritten den Energieverbrauch im Rechenzentrum um 70 Prozent senken

Ein herstellerneutraler Fahrplan zeigt, wie Energiekosten im Rechenzentrum um bis zu 70 Prozent gesenkt werden können.
* Wolfgang Goretzki ist Product Marketing Manager EMEA, Emerson Network Power Die steigenden Strompreise stellen Rechenzentrumsverantwortliche vor die Frage: Wie können der Stromverbrauch gesenkt und die Energiekosten reduziert werden, ohne die Verfügbarkeit und die Ausfallsicherheit zu gefährden? Emerson Network Power hat dafür den herstellerneutralen Fahrplan „Energy Logic 2.0“ entwickelt, der zehn Schritte umfasst, wie die Energieeffizienz der IT- und Support-Systeme verbessert und dabei Platz für neue Kapazitäten geschaffen werden kann – ohne Auswirkungen auf das Ausfallrisiko.
Schritt 1: Energiefresser verabschieden
Dreh- und Angelpunkt ist der Kaskadeneffekt. Dieser beschreibt, wie sich Einsparungen auf IT-Komponentenebene in den Support-Systemen verstärken. Bei einem Rechenzentrum mit einem Power Usage Effectiveness Faktor (PUE) von 1,9 erzeugt eine Einsparung von einem Watt ganz am Anfang der Kaskade, z.B. am Serverprozessor, eine Gesamteinsparung von 2,84 Watt im Rechenzentrum. Um den Kaskadeneffekt voll zu nutzen, lohnt sich die Anschaffung von IT mit hocheffizienten Komponenten. Allein dadurch sind Energieeinsparungen von rund 11,2 Prozent möglich, Server mit hocheffizienten Prozessoren verbrauchen im Durchschnitt anstatt 91 Watt nur 54 Watt.
Schritt 2: Effiziente Stromversorgung
Der Wirkungsgrad bei Netzteilen liegt durchschnittlich bei nur 86,6 Prozent, dabei wären bis zu 93 Prozent möglich. Hier besteht ein Einsparungspotenzial von 7,1 Prozent des Energieverbrauchs, wenn beispielsweise Netzteile mit besserer Leistung bei Teillast für Geräte mit zwei Stromversorgungen verwendet werden. Denn die Netzteile dieser Geräte haben eine durchschnittliche Auslastung von unter 30 Prozent.
Schritt 3: Stromverwaltung für Server
Häufig sind Server nur zu 20 Prozent ausgelastet, verbrauchen jedoch 80 Prozent der für eine volle Auslastung notwendigen Energie. Mithilfe einer intelligenten Stromverwaltung lässt sich der Energieverbrauch um fast 10 Prozent senken. Möglich machen das moderne Lösungen für Data Center Infrastructure Management (DCIM). Sie sammeln zusätzlich Betriebsdaten in Echtzeit und führen diese mit den Nutzungsdaten der Server zusammen. Das schafft die notwendige Transparenz, um ungenutzte Kapazitäten und leistungsschwache Server zu identifizieren und die Stromverwaltung darauf aufbauend sicher und effektiv zu gestalten.
Schritt 4: IKT-Architektur
In vielen Rechenzentren herrschen aufgrund nachträglicher Erweiterungen siloartige Architekturen. Diese bringen Doppelungen und mangelnde Ressourcenüberwachung mit sich und erschweren die Koordination der Switching/Routing-Infrastruktur. Effizienzgewinne können durch neue strukturelle Verkabelungstechnologien erreicht werden. Für die Implementierung einer zusammenhängenden IKT-Architektur benötigt man jedoch allgemeingültige Regeln und Richtlinien. Die IT-Ressourcen werden dann nach einem an der Arbeitsbelastung ausgerichteten Gesamtkonzept installiert, welches den Umfang des Netzwerks sowie die Kosten minimiert.
Schritt 5: Höherer Virtualisierungsgrad
Eine Senkung des Energieverbrauchs um 29 Prozent ist möglich, wenn der Virtualisierungsgrad von 30 auf 60 Prozent erhöht wird. Das bedeutet bei einem Rechenzentrum mit 1.543 kW Einsparungen von 448 kW. Voraussetzung hierfür ist die effiziente Überwachung des Rechenzentrums mit einem leistungsstarken DCIM-Tool. Dieses schafft die notwendige Transparenz in Bezug auf die Verwendung der virtuellen Server und freier Kapazitäten. Mit Hilfe von DCIM kann die komplette Kapazität der Infrastruktur genutzt werden, ohne Überkapazitäten zu riskieren.
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Schritt 6: Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV)
USV-Systeme mit Double-Conversion verbrauchen 4 bis 6 Prozent der zugeführten Energie für die Wandlung Wechselstrom-Gleichstrom-Wechselstrom. Ist das Rechenzentrum nicht sehr kritisch bzw. die Netzstromversorgung von höchster Qualität, kann dieser Energieverlust durch den Einbau eines Bypass-Schalters in das USV-System vermieden werden. Der Bypass vermeidet den Energieverlust durch die Wandlung, gewährleistet aber einen unterbrechungsfreien Transfer der Last auf ein Hilfs- oder Sicherungssystem, um beispielsweise Wartungsarbeiten durchzuführen oder bei Überlastung bzw. akutem Verlust der Busspannung eine unterbrechungsfreie Stromversorgung zu garantieren. Die Qualität der Bypass-Stromversorgung wird vom USV-System überwacht. DCIM kann eine intelligente Steuerung des Stromversorgungssystems unterstützen. Die Implementierung eines ECO-Modus und die Optimierung des Leistungspfads von der USV zu den Servern und anderen Geräten senken den Gesamtverbrauch um 4 Prozent bzw. um 10 Prozent.
Schritt 7: Kalte und warme Bereiche trennen
Eine Kaltgangeinhausung trennt strikt kalte und warme Luft und sorgt für weitere Energieeinsparungen. Zusätzlich sollte man für eine präzise Steuerung von Ventilatorendrehzahl, Kühltemperatur, Luftfeuchtigkeit und dem Einsatz von Economizern sorgen. Intelligente Steuerungen ermöglichen es, die Kühlung nicht nur an der Umgebungstemperatur, sondern auch am konkreten Bedarf der Server auszurichten. Sind Kompressor-/Kühler-Kapazität und Luftstrom optimal aufeinander abgestimmt, ist eine höhere Temperatur im Kaltgang möglich. Wird zum Beispiel eine um 5,6 Grad wärmere Rückluft toleriert, kann die Effizienz der Kühleinheit um 30 bis 38 Prozent steigen – abhängig vom System. Durch die Optimierung des Kühlsystems lässt sich der Energieverbrauch um weitere 5,2 Prozent senken, vorausgesetzt, die anderen Energy-Logic-Massnahmen wurden umgesetzt.
Schritt 8: Das passende Kühlsystem
Die meisten Rechenzentren arbeiten selten unter Volllast. Deshalb sollten auch für den Teillast-Betrieb geeignete Kühlsysteme eingeführt werden. Bei Kaltwassersystemen verbrauchen die Ventilatoren die meiste Energie. Gut beraten ist man mit stufenlos regelbaren EC-Ventilatoren. Sie lassen sich in bestehende Kühleinheiten einbauen und über die intelligente Steuerung regeln. Kompressoren mit variabler Kapazität für Direct Expansion (DX) als auch Kaltwassersysteme können die Effizienz weiter erhöhen. Der Energieverbrauch des Rechenzentrums sinkt durch ein derart optimiertes Kühlsystems um weitere 2,6 Prozent.
Schritt 9: Klug kühlen
Wird die Rechenzentrumsdichte erhöht – vorausgesetzt man schafft eine Umgebung, die das unterstützt – muss man das Kühlgerät näher an die Wärmequellen heranbringen, um heisse Luft aus dem Warmgang zu ziehen und dem Kaltgang kalte Luft zuführen zu können. Dabei wird ein Teil der Kühllast von herkömmlichen Umluftkühlgeräten auf zusätzliche Kühleinheiten übertragen, die an oder entlang der Racks angebracht sind.
So lassen sich weitere 1,5 Prozent an Energie einsparen.
Schritt 10: Ganzheitliches Management
Eine moderne DCIM-Lösung führt alle relevanten Informationen an einer zentralen Stelle zusammen und gewährleistet eine ganzheitliche Verwaltung der Rechenzentrumsinfrastruktur. Somit werden für ein dynamisches Management des Rechenzentrums die Grenzen zwischen der IT- Infrastruktur und dem Facility Management aufgehoben. Durch das Schliessen dieser Lücke können Rechenzentrumsmanager und Facility-Manager Informationen aus nur einer einzigen Quelle beziehen. Auf dieser Basis ist es möglich, unter Einbeziehung aller Informationen, vorausschauende Entscheidungen bezüglich des Zusammenspiels von Effizienz, Verfügbarkeit und Kapazitätsauslastung zu treffen.

Fazit

In einem 464,5 Quadratmeter grossen Modellrechenzentrum mit 210 Serverracks und einer durchschnittlichen Rackdichte von 2,8 kW sinkt der Gesamtenergieverbrauch allein bei der Umsetzung der ersten 5 Schritte bei gleich bleibender Leistung um rund 650 kW. Werden alle 10 Schritte umgesetzt, können Unternehmen den Energieverbrauch im Rechenzentrum um mehr als 70 Prozent senken. Nicht alle Unternehmen sind jedoch in der Lage, jede der vorgestellten Massnahmen umzusetzen. Dennoch profitieren auch sie von der Einführung einzelner Strategien – die Einsparungen fallen dann lediglich etwas geringer aus. Grundsätzlich gilt: Bei Einführung neuer Massnahmen sollten weder Abstriche bei der Verfügbarkeit noch bei der Flexibilität oder Sicherheit gemacht werden.


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