02.05.2011, 06:00 Uhr

Chancen und Risiken von Windows 7

Das erste Service Pack ist traditionell der Startschuss für Unternehmen, auf eine neue Windows-Version zu wechseln. Computerworld hat Erfahrungswerte für und wider die Migration gesammelt.
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Glaubt man Microsoft, ist die Computerwelt mit Windows 7 rosarot. Dass dem nicht so ist, wissen vermutlich alle 300 Millionen Käufer einer Lizenz des neusten Betriebssystems. Die einen klagen über Probleme mit ihrem betagten Drucker, die anderen bekommen ihre angestammte Software nicht mehr zum Laufen und den Dritten geht alles nicht schnell genug. Das ist mehr oder weniger bei jedem grösseren Software-Update so. Analysen des Marktforschungshauses IDC belegen jedoch, dass mit Windows 7 zumindest im Unternehmensumfeld einiges besser wird.

Chancen: Hier wirds besser

Die Erwartungshaltung von Fachabteilungen und Management war hoch: Als Gründe für die Migration auf Windows 7 gaben jeweils 42 Prozent an, dass sie mehr Leistung und eine höhere Sicherheit erwarten. Neue Funktionen zur Produktivitätssteigerung und weniger Kompatibilitätsprobleme durch eine einheitliche Plattform wurden von 39 Prozent respektive 38 Prozent der deutschsprachigen Anwenderunternehmen als Wechselgründe genannt. Eine Bestandesaufnahme von IDC nach der Migration dokumentiert, dass die Erwartungen nicht zu hoch gesteckt waren: Knapp 80 Prozent berichten von besserer Performance und 76 Prozent von weniger Sicherheitsproblemen. Die Benutzerfreundlichkeit soll Windows 7 in 69 Prozent der Fälle erhöht, den Aufwand für das Endpoint-Management bei 66 Prozent verringert haben. Entsprechend positiv ist das Fazit der IT-Verantwortlichen und Unternehmensentscheider. Den IDC-Analysten gaben 60 Prozent zu Protokoll, dass sie trotz grosser Herausforderungen einen positiven Eindruck von dem Betriebssystem haben. Etwas mehr als jeder Dritte (36 Prozent) konnte sich weder positiv noch negativ äussern. Lediglich 4 Prozent der Befragten sind enttäuscht von Windows 7.

Risiken: Darauf sollten sie achten

Die hohen Zufriedenheitswerte stehen im Kontrast zu den Nachteilen durch die Migration, die IDC ebenfalls identifizierte. Das grösste Problem ? genannt von 40 Prozent aller 1360 befragten Unternehmen ? waren gesprengte Budgets. Fast ebenso viele Praktiker (39 Prozent) beklagten sich über Kompatibilitätsprobleme mit der vorhandenen Hardware, jeder Vierte (27 Prozent) konnte das Migrationsprojekt aufgrund von Fehlern in der Pilotphase nicht zum geplanten Zeitpunkt abschliessen. An Personal mangelte es dabei nicht, so IDC. Denn in den meisten Fällen war rund die Hälfte der IT-Belegschaft in die Planung und Ausführung der Migration involviert. Lösungsansätze für Kompatibilitätsprobleme bei Software liefert Microsoft mit dem Application Compatibility Toolkit und dem Microsoft Assessment and Planning Toolkit, aber auch Drittanbieter wie zum Beispiel ChangeBase. Ein häufig gehörter Lösungsvorschlag ist das Virtualisieren von inkompatiblen Anwendungen. Laut IDC lassen sich damit Migrationsprojekte signifikant beschleunigen. Die Praxis scheint den Analysten recht zu geben: Nahezu jedes zweite Anwenderunternehmen (43 Prozent) realisierte zeitgleich mit der Windows-7-Migration eine Desktop-Virtualisierung. Hauptgrund ist das Lösen möglicher Kompatibilitätsprobleme. Für weitere 29 Prozent ist das Virtualisieren weiterer Anwendungen eine Option, die übrigen 28 Prozent haben keine entsprechenden Pläne.

Zu wenig Spezialisten

Ein Grund sind die fehlenden Fachspezialisten. Während IDC den hohen personellen Aufwand als eine Hürde bei der Migration herausstellt, geht das Beratungshaus Gartner noch weiter: IT-Budgets müssen aufgestockt oder umverteilt werden, wenn für den Wechsel auf Windows 7 nicht genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen. «Der angenommene Budgetanteil von 15 Prozent für die Clients muss im besten Fall auf 18 Prozent, im schlechtesten auf 24 Prozent erhöht werden», führt Gartner-Analyst Steve Kleynhans aus. Im besten Fall könnten Mitarbeiter oder Dienstleister zu fixen Preisen in das Projekt einbezogen werden, im schlechtesten muss alles extra bezahlt, extern eingekauft und die Migration möglicherweise noch verlängert werden. Gartner rechnet für das laufende und das nächste Jahr mit Engpässen bei Personal und Dienstleistungen, da Unternehmen mit XP-Systemen ihre Migrationspläne vorantreiben. Auch für 2013 seien noch Mehrkosten für Fachpersonen zu erwarten, so Kleynhans. Dann würden auch die Nachzügler erkennen, dass der Extended Support für Windows XP im April 2014 ausläuft. In diesen drei Jahren prognostiziert Gartner, dass Firmen weltweit nicht weniger als 250'000 Millionen PCs auf Windows 7 migrieren ? nahezu so viele Upgrades, wie es seit dem Verkaufsstart des Betriebssystems gegeben hat.

Kosten: Damit müssen Sie rechnen

Den personellen Engpass vermeiden können migrationswillige Unternehmen durch das Anwenden automatisierter Services und von Best Practices, ermittelte IDC. Die Analysten untersuchten den Bereitstellungsprozess von Windows 7 in mittelständischen und grossen Unternehmen. Dabei wurden vier Automati­sierungsreifegrade unterschieden. Firmen der Basisstufe verfügen über wenig Automatisierung und müssen viele finanzielle Mittel plus Personal für die reine PC-Bereitstellung aufbringen. IDC rechnet mit einem Wert von 795 US-Dollar (circa 738 Franken) pro PC. Diese Kosten ergeben sich aus 557 US-Dollar für die IT, 110 US-Dollar für die Logistik sowie 128 US-Dollar für Produktivitätsverluste durch die Downtime der Systeme und Schulungen der Mitarbeiter. In der Schweiz dürften die Kosten noch etwas höher liegen als der reine Umrechnungskurs. Ist die IT-Infrastruktur besser aufgestellt, lassen sich die Aufwendungen in allen Bereichen senken, so IDC. Das Standardisieren von Clients und Software-Umgebung ist eine Möglichkeit, die Kosten zu senken, das zusätzliche Rationalisieren von Abläufen und Umstellungsprozessen sind weitere. Im besten Fall, wenn wenige Technikerstunden gebucht werden müssen, die Bereitstellungszeit auf ein Minimum reduziert ist, tiefe oder sogar gar keine Investitionen in die Infrastruktur nötig sind und die Logistik optimal geplant ist, kalkulieren die Analysten noch mit 373 US-Dollar pro Arbeitsplatz. Durch die automatisierte Bereitstellung sind also theoretisch Einsparungen von 66 Prozent möglich, erklärt IDC.

Return on Investment

In der Praxis dürften sich die Migrationskosten in Anwenderunternehmen eher bei 400 statt bei über 500 US-Dollar bewegen. Denn die überwiegende Mehrheit berichtete auf IDC-Anfrage über eine problemlose Plattformumstellung. Nur 22 Prozent hatten gravierende Schwierigkeiten, bei den übrigen 78 Prozent lief der Wechsel glatt. Zum Beispiel mussten die Mitarbeiter im schlechtesten Fall sechs Stunden ohne Rechner auskommen, im besten Fall nur zwei Stunden. Ähnlich gute Werte ermitteln die Analysten für den Return on Investment (ROI). Masse für diese Kenngrösse waren IDC zufolge unter anderem das Sparpotenzial durch die zusätzlichen Sicherheitsfunktionen von Windows 7, mehr Standardisierung der Plattformen, höhere Ausfallsicherheit und Leistungsfähigkeit der Systeme sowie eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter. Von den 62 Prozent der Unternehmen, die sich einen bestimmten ROI als Ziel gesetzt hatten, haben 90 Prozent diesen auch erreicht.


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