02.07.2014, 10:00 Uhr

Chancen und Risiken von Social Software

Social-Technologien kommen in den Schweizer Anwenderunternehmen an. Social-Experte Michael Sampson zeigt im Interview Chancen und Risiken von Social Business auf.
Michael Sampson berät Unternehmen bei Fragen zu Social Business
Schweizer Unternehmen sind sehr interessiert an der Vernetzung ihrer Mitarbeiter. ABB, das BIT, Sika, Swiss Re und Touring Club Schweiz sind nur einige Beispiele für Anwenderfirmen mit Social Software. Bei ihnen hat die Reise in das Social Business bereits begonnen. Andere orientieren sich noch, etwa an Informationsveranstaltungen der Anbieter. Weltweit gefragt bei Social Software ist der Blogger, Buchautor und Unternehmensberater Michael Sampson. Am Rande eines Seminars der WebGate Academy stand Sampson der Computerworld Rede und Antwort.
Computerworld: Warum sollten Firmen ein Social Business werden? Welche geschäftlichen Herausforderungen können damit adressiert werden?
Michael Sampson: Es gibt einige gute Gründe: Einer ist die gelebte Kultur, wenn Unternehmen ihren Angestellten schon individuelle Anreize geben, sich innerhalb ihres Tätigkeitsfeldes zu entfalten. Dies kann mit Social-Business-Tools auf die gesamte Organisation übertragen werden. Die Social-Praxis stärkt Kultur, Zusammenarbeit und die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich einzubringen.
Ein anderer Grund ist die Notwendigkeit zum Wandel. Wenn Unternehmen die Angestellten als austauschbare Ressource ansehen, werden sie ihnen kaum Werkzeuge in die Hand geben, die persönliche Entwicklung und Firmenkultur voran bringen. Allerdings können Berater in bestimmten Branchen die Notwendigkeit identifizieren, Social-Business-Technologien einzuführen. Mit den Praktiken lassen sich viele organisatorischen Probleme angehen, wenn bei den Mitarbeitern und dem Management auch ein Wille zum Wandel vorhanden ist. Fehlt dieser, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt.
Bitte geben Sie drei Tipps, wie Unternehmen ein Social Business starten können.
Mit drei Tipps kommen Sie nicht weit. Entscheidende Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Start sind: Transformation der Firmenkultur, klare Ziele und Unterstützung des Managements.
Für den Wandel der Firmenkultur muss ein Unternehmen zunächst ermitteln, wo es heute steht. Dabei ist es nützlich, folgende Fragen zu beantworten: Fühlen sich die Mitarbeiter von den Vorgesetzten respektiert und wertgeschätzt? Wird das Teilen von Informationen innerhalb des Unternehmens gefördert oder bestraft? Sind die Angestellten engagiert bei der Arbeit?
Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme muss die Geschäftsführung definieren, welche Aspekte der Unternehmenskultur gefördert werden sollen und welche eher keine Förderung mehr benötigen. Anschliessend muss das Management in einer Vision die Ziele definieren, wie mit Social-Methoden der Wandel der Firmenkultur unterstützt werden kann. Die Vision darf keine Theorie bleiben, sondern muss in tagtäglichen Arbeitsabläufen von den Angestellten gelebt werden. Bei alle Veränderungen geht bestenfalls die Geschäftsführung voran und benutzt die Werkzeuge zunächst selbst.
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Ein Social Business kann Vorteile haben. Welches sind aus Ihrer Sicht die drei grössten?
Ein Unternehmen ist ein Social Business, wenn es die Begabungen, die Kompetenzen und das Wissen ihrer Angestellten respektiert. Diese werden von einer Social-Business-Strategie gefördert, um einen optimalen Nutzen für die Organisation, die Mitarbeiter selbst sowie die Kunden zu erreichen. Dann locken unter anderem folgende drei Gewinne: Erstens ein hervorragender Kundendienst auf der Grundlage des Könnens und Wissens aller Angestellten. Zweitens ein hohes Mass an Engagement der Angestellten, da jeder seine individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen und noch ausbauen kann. Schliesslich drittens wird sich wirtschaftlicher Erfolg einstellen, mit mehr Umsatz, höherer Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsvorteilen.
Welche drei Nachteile kann ein Social Business haben?
Wenn Social-Tools in einem Unternehmen eingeführt werden, das weder über die firmenkulturellen noch über die organisatorischen Grundlagen verfügt, verkommt die Installation zu nur einer weiteren Technologie. Die Firma läuft Gefahr, dass die Angestellten erstens sich noch weniger mit der Organisation, ihrer Arbeit und den Unternehmenszielen identifizieren. Zweitens muss unbedingt das Top-Management mit im Boot sein und eine Vorreiterrolle übernehmen. Fehlt dieses Engagement, werden die Angestellten kaum in die Rolle schlüpfen oder ihren Teil zur Förderung der Organisationskultur beitragen. Das reine Technologie-Projekt droht drittens, in einer Negativspirale für das Unternehmen und seine Angestellten zu münden, wenn sie dadurch beispielsweise Mehrarbeit haben aber keinen direkten Nutzen.
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Sie sprechen von Tools. Die Branchenanalysten sehen IBM und Microsoft als marktführende Lieferanten von Social Software. Welche Produkte sind verbreitet?
Die Marktbeobachtung ist nicht das Geschäft meines Beratungsunternehmens. Aber natürlich ist bekannt, dass Microsoft mit SharePoint eine grosse installierte Basis besitzt. Microsofts Social-Strategie befindet sich jedoch noch in der Entwicklungsphase, unter anderem wegen des reinen Cloud-Angebots bei Yammer. Ob Microsoft hier umschwenkt bleibt abzuwarten. Wenn nicht, könnten SharePoint-Kunden auf alternative Anbieter ausweichen, zum Beispiel Sitrion Social Workplace für die lokale Installation. IBMs Connections hat hier mit der Option von On-Premises und Cloud einen Vorteil.
Bitte erläutern Sie die Unterschiede zwischen IBMs und Microsofts Lösungen für Social Business.
IBMs Connections-Produkt ist von Grund auf als Social Software entwickelt worden. Dabei wurde der Schwerpunkt auf die Menschen und ihre Interaktionen untereinander gelegt. Dagegen lag der Fokus bei SharePoint lange Jahre auf Dokumenten und Listen. Erst im Nachhinein hat Microsoft auch Social-Elemente und Funktionen eingefügt.
Die Zukunft gehört IBMs Mail Next und Microsofts Office Graph. Welche Chancen sehen Sie für diese Lösungen?
Beide Produktankündigungen sehen zunächst vielversprechend aus. Allerdings sind weder bei der einen noch bei der anderen Lösung die technischen Details geklärt und die Funktionen final definiert. Nun müssen die Anbieter liefern, was sie grossspurig versprochen haben.
Persönlich hat mich Microsofts Office Graph als Erweiterung von Office 365 sehr beeindruckt. Ich hoffe einerseits, dass es auch eine Version für On-Premises geben wird. Andererseits bin ich gespannt auf die automatische und «intelligente» Verknüpfung zwischen Menschen und den Inhalten.


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