05.10.2011, 06:00 Uhr

Voll im Plan

Scheitern IT-Projekte, liegt es selten an der IT. Die Risiken liegen in den Bereichen Prozesse und Mensch. Nichts Neues, sollte man meinen. Doch noch immer gehen rund 80 Prozent der Projekte schief.
Bild: © Gernot Krautberger / www.fotolia.de
Etwa 80 Prozent aller IT-Projekte scheitern», sagt Italo Ponzo vom Zürcher Beratungs- und Trainingsunternehmen cm&mc. Nicht einmal ein Drittel aller Projekte hält Zeitplan und Budget ein und liefert erwartete Qualität und Funktionalität. «Eigentlich ist es das Gleiche wie am Bau. Oberste Priorität hat die Planung», so der Projektmanager. Zwar brauche eine gute Planung Zeit und koste Geld, sie verhindere jedoch, dass Projekte an die Wand gefahren werden. «Je besser und stringenter die Planung, desto erfolgreicher das Projekt», davon ist Ponzo überzeugt. Eine Binsenweisheit, die angesichts der Masse an gescheiterten IT-Projekten trotzdem nicht oft genug wiederholt werden kann.

Kommunikation, Ressourcen, Zeit

Zu einer umfassenden Planung gehören Projektstrukturierung, Zieldefinition (mit klarer Umfangsdefinition der Endleistungen), Aufwandschätzung, Ablauf- und Termin- sowie Ressourcenplanung. Hinzu kommen Change-, Risk- und Qualitätsmanagement. «Projekt­leitung ist zu 90 Prozent Kommunikation», so Ponzo. Ein guter Projektleiter sollte also während der gesamten Laufzeit eines Projekts seine Ohren spitzen und hellhörig für Probleme und Unklarheiten sein. «Wer, was an wen kommuniziert, ist am besten formell zu definieren», empfiehlt Ponzo. Rund 15 Prozent des Projektvolumens sollten für Steuerung und Reporting aufgewendet werden. Reporting ist wiederum nur sinnvoll, wenn der Status des Projekts ehrlich kommuniziert wird. Ein schwacher Projektmanager, der nicht führen oder kommunizieren kann, wird nie alle Stakeholder – das eigene Team inbegriffen – im Griff haben. Besonders Projektleiter, die aufgrund ihrer Leistung als Architekt oder Programmierer zu Managern wurden, stellen ohne Coaching ein erhebliches Risiko dar. Ein Projektleiter muss seinem Team die Ziele des Projekts und den Zeitplan nahebringen. Es empfiehlt sich daher, Art, Umfang und Zeitpunkt der Mitwirkung jedes einzelnen Projektbeteiligten genau zu bestimmen. «Der intel­ligente CIO fragt seine Ex­perten, wo die Bedürfnisse und Probleme liegen», sagt Ponzo. Ausserdem muss er Defizite erkennen und dafür sorgen, dass das nötige Wissen erworben wird. Letztlich muss auch die Kommunikation zwischen Business und IT funktionieren. Denn nur Projekte mit gutem Business Case bekommen die nötige Aufmerksamkeit des Top-Managements und erhalten die benötigten Ressourcen. Umgekehrt darf der Zeitplan eines Projekts nicht zum Privatvergnügen des Managements mutieren, sondern sollte als Fahrplan für das gesamte Team gelten. Beim Zeitplan werden zudem oft kleinere Details vergessen. Hier sind Erfahrung und Kompetenz der Projektleiter gefragt. Denn Kleinkram akkumuliert sich, kostet Zeit wie Geld und führt unversehens zu Budgetüber-schreitungen. «Letztlich muss das Business eine gute Mischung zwischen Druck und Zurückhaltung gegenüber der IT finden», meint der Projekt­manager – und beide Seiten sollten sich gegenseitig kritisch hinterfragen.

Change- und Riskmanagement

Die Baubranche, meint Ponzo, «hat das  besser im Griff. Jede kleinste Änderung kostet, denn sie hat Einfluss auf den Zeitplan.» Dabei unterliegen IT-Projekte durch die ständigen technischen Neuentwicklungen besonders häufig Änderungen. Laut Branchenspezialist Capers Jones ändern sich im Schnitt 2 Prozent der Anforderungen pro Monat. Zu viele Änderungswünsche nach Anlaufen eines Projekts können aber auch ein Indiz dafür sein, dass vorab unsauber gearbeitet wurde. «Es gibt sehr wenig kompetente Leute», weiss Ponzo. Besonders bei längeren IT-Projekten sollte deshalb keinesfalls auf ein Changemanagement verzichtet werden, damit auf sich verändernde Umstände und Anforderungen eingegangen werden kann. Dazu zählen auch sich verändernde Risiken. Riskmanagement ist ein sehr wichtiger Punkt, der oft ausser Acht gelassen oder schlecht gemacht werde, meint Ponzo. Mögliche Risiken müssen von Anfang an transparent auf den Tisch gebracht sowie ein Risikominderungsplan erstellt und regelmässig nachgeprüft werden. Die an einem Projekt unmittelbar beteiligten Per­sonen stecken meist derart im Projekt, dass sie Risikofaktoren nicht mehr wahrnehmen. «Consulter können den Horizont erweitern, wenn der Kunde auf seiner eigenen kleinen Insel arbeitet und den Überblick verliert», meint Ponzo. Doch er warnt auch: «Oft kennen sie das Geschäft des Kunden nicht, kosten ein Vermögen und es wird blind auf sie gehört, weil sie eine Instanz sind, der man nicht zu widersprechen wagt.» Er empfiehlt einen nicht am Projekt beteiligten «Paten», der mit der nötigen Distanz und gesundem Menschenverstand im Notfall helfend eingreift.

Qualitätsmanagement

Auch das Qualitätsmanagement, eine Kernaufgabe des Managements, sollte bei IT-Projekten nicht vergessen werden. «Die Qualität darf nicht unter der Kundenerwartung sein, muss aber auch nicht drüber liegen», sagt Ponzo. Ausreichend Zeit und Personal für die Qualitätssicherung bei IT-Projekten einzuplanen, ist für viele Unternehmen jedoch nicht wichtig oder zu teuer. Doch gerade die nachlässige Organisation von Tests ist einer der Hauptgründe für nicht planmässig abgeschlossene Projekte: Laut einer aktuellen Studie von Steria Mummert Consulting führt dies bei 7 von 10 Projekten zu Verzögerungen oder ausserplanmässigen Unterbrechungen. «Die vermeintlichen Kostenführer bei IT-Projekten sparen häufig am Test. Sie machen nur das Nötigste», meint Lars Hinrichsen, Experte für Managed Testing bei Steria Mummert. Wird die Qualitätskontrolle vernachlässigt, schleichen sich Fehler ein, die sich erst später und mit deutlich höheren Kosten beheben lassen. Nach Einschätzung von Steria Mummert liegt der damit verbundene Aufwand um das Fünffache höher als für Test- und Korrekturabläufe in der Projekt-frühphase. «Besser aufgestellte Unternehmen verfügen zumindest über eine gute Testfalldokumentation», sagt Hinrichsen. Dies ermöglicht es ihnen beispielsweise, Tests durch externe Mit­arbeiter durchführen zu lassen. «Die wirklichen Kostenführer bei Funktionstests vermeiden so die Bindung von Fachexperten in Routineüberprüfungen. Denn in der Regel führen immer noch zu häufig erfahrene IT-Fachspezialisten Standardtests durch und fehlen dann dem eigent­lichen Geschäftsbetrieb», so Hinrichsen. Er empfiehlt, vor allem für wiederkehrende Anpas­sungen, die nur zu sehr geringfügigen Änderungen im Geschäftsbetrieb führen, auf automatisierte Testabläufe zu setzen. Wer also alle Einzelaspekte mit gleicher Aufmerksamkeit beachtet sowie den Faktor Mensch nicht ausser Acht lässt, wird sein IT-Projekt auch erfolgreich abschliessen können.
IT-Projektmarkt: Die Nachfrage steigt
Der IT-Projektmarkt in der DACH-Region war im letzten halben Jahr auf Höhenflug. Seit 2008 gab es bei der Projektbörse Gulp nicht mehr so viele Projektanfragen an IT-Selbstständige wie im ersten Halbjahr 2011.

Mehr Projekte Auch in der Schweiz liess sich eine starke Nachfrage an IT-Consultants beobachten: Im März beispielsweise wurden bei Gulp in 4,1 Prozent der Projekte IT-Experten für die Schweiz gesucht.  «Der Anteil vergrös­sert sich kontinuierlich. Und das bei einem gleichzeitigen Anstieg der Projektanfragen», so Michael Wanner, Geschäftsführer von Gulp Schweiz. «Es wird langsam spannend: Wenn sich die Nachfrage weiterhin so rasant entwickelt, könnten in manchen Nischen oder Spezial-Skill-Bereichen sogar die IT-Selbstständigen knapp werden», ergänzt Stefan Symanek, Marketingleiter von Gulp.

Kürzere Laufzeiten Was die Laufzeit der Projekte betrifft, so ist ein Trend zu kürzer andauernden Projekten auszumachen. Lag die durchschnittliche Laufzeit eines Projekts 2008 noch bei 9 Monaten, ist sie in diesem Jahr durchschnittlich einen Monat kürzer. Mit 17,1 Prozent aller Anfragen im Bereich ERP/CRM-Systeme standen SAP-Projekte im Juni 2011 bei Gulp an der Spitze. Im Bereich Programmiersprachen machte Java mit 17,6 Prozent den Reibach, im Bereich Betriebssysteme liegt Windows mit 12 Prozent vorn. Im Bereich Datenbankprojekte punktete Oracle mit 11,1 Prozent aller Anfragen.


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