Open-Source 10.10.2014, 17:09 Uhr

Viele OS-Pakete nicht lizenzkonform

Viele Schweizer Unternehmen wie Swisscom und Swiss Re nutzen mittlerweile Open-Source. Aber Vorsicht: Oft werden Open-Source-Pakete nicht lizenzkonform an die Kunden weitergegeben.
Ob Open-Source ja oder nein, der Drops sei gelutscht, sagte Karsten Reincke von der Deutschen Telekom, der als Gastredner auf dem Schweizer Open Source Business Forum den Eröffnungsvortrag hielt. Open-Source (OS) eröffne aber nicht nur Chancen, sondern berge auch Risiken. Viele Schweizer Unternehmen haben OS-Software im Einsatz. Open-Source gilt als innovativer, produktiver und oftmals preisgünstiger als Lizenz-Software. Oft werden OS-Pakete aber nicht lizenzkonform an die Kunden weitergegeben. Ein Risiko, dass einige Schweizer Unternehmen offenbar ganz bewusst eingehen.

"Open-Source mittlerweile De-Facto-Standard"

"Open-Source sehe ich mittlerweile als eine Art De-Facto-Standard", betonte Marcus Brunner von Swisscom. Offene Standards erleichterten die Zusammenarbeit im Ökosystem. Swisscom setzt in ihrer Infrastruktur-Landschaft die Cloud-Plattform OpenStack, verschiedene kommerzielle HyperVisor und die offene Plattform CloudFoundry (PaaS) ein. Liferacy dient als Cloud-Portal. Open-Source verlangt laut Brunner eine aktive Community, verschiedene Stakeholder und offene Strukturen. Keiner werde ausgeschlossen. Entwicklern bietet Swisscom den JavaScript-Applikationsserver Node.js, die Datenbanken mongoDB und MariaDB und Java als PaaS-Bausteine an. Erste Funktionen könnten sehr früh zum Ausprobieren bereit gestellt werden. Ausserdem verringere der gemeinsam programmierte Code die Entwicklungskosten, das seien die Benefits beim Open-Source-Modell. Negativ schlägt laut Brunner zu Buche, dass die Robustheit der Apps bei Projektanfang nicht immer höchste Priorität habe. Auch, so bemängelt er, sei die Roadmap der OS-Community nicht immer leicht zu beeinflussen.

Handfeste kommerzielle Interessen

Um Einfluss auszuüben, ist Swisscom Mitglied von Open-Source-Communities wie CloudFoundry, einer offenen App-Programmierplattform für die Wolke, die ursprünglich vom Virtualisierungsspezialisten VMware entwickelt wurde. "Wir sehen CloudFoundry als einen De-Facto-Standard, den wir für die Entwicklung von Apps und für Cloud-Plattformen bereitstellen wollen", sagt Brunner. Das habe nichts mehr mit dem anfänglichen Grassroots-Gedanken zu tun, gibt er zu, sondern man gehe mit handfesten kommerziellen Interessen in die Communities rein.
Alexander Türk vom Rückversicherer Swiss Re berichtete, wie er die Business-kritischen SAP-Systeme seines Unternehmens auf Suse Linux Enterprise Server (SLES) migriert hat. 2011 erfolgte im ersten Schritt die Migration von SAP unter Solaris auf SLES 10. 2014 folgten dann die SAP-Lösungen unter Windows. Heute laufen alle 84 SAP-Produktionssysteme des Versicherers unter Suse Linux Enterprise Server, mit einer Verfügbarkeit von 99,99 Prozent zwischen Januar und August 2014. Eine einzelne Migration, das als Faustregel, nimmt etwa ein bis zwei Wochen Zeit in Anspruch.

"Linux-Kollegen verstehen uns besser"

"Wir haben festgestellt, dass Linux-Kollegen unsere Bedürfnisse besser verstehen", sagte Türk. Dank eines schnellen 10-GByte-Ethernets und Fibre-Channel-Adaptern mit einem Datendurchsatz von 8 GByte gabe es auch keine Beschwerden punkto Performance der SAP-Anwendungen. Swiss Re, so Türks Fazit, liege mit ihrer Migration auf SLES voll im Trend. Denn das Betriebssystem Solaris, in der Hand von Oracle, verliere an Boden. AIX, das Unix-Derivat von Hewlett-Packard hält sich tapfer, aber viele Unternehmen würden auf Linux migrieren. Und Türk fällt noch ein weiterer Grund ein: SAPs Echtzeit-Appliance Hana laufe nur unter Linux. Wer also mit dem Gedanken spiele, zukünftig Hana einzusetzen, müsse vorher zwangsläufig auf Linux umstellen. Oliver Kraucher und Dieter Brack von green.ch stellten in einer Live-Demo ihre neue Open-Source-Lésung FlexCloud vor, deren Marktlaunch "unmittelbar bevorsteht". Über ein bedienfreundliches Benutzer-Interface können Kunden ihre FlexCloud schnell und einfach provisionieren und konfigurieren. Neben den Infrastrukturleistungen Compute, Storage, Netzwerk und Sicherheit offeiriert green.ch auch Kunden-Apps wie CRM, ERP  und Office. In der neuen FlexCloud kommt die Open-Source-Plattform OpenStack zum Einsatz. "Open-Stack ist die erfolgreichste und grösste OS-Cloud-Lösung", betonte Oliver Kraucher. Man vermeide den berüchtigten Vendor-Lockin, könne Multi-Tiering verwenden und profitiere von einer enormen Skalierbarkeit. Als typische Use Cases für die FlexCloud nennt er Video-Rendering , Backups, E-Commerce-Anwendungen, Entwicklungs-/Test-/Marketing-Umgebungen und ausserdem High-Availability-Szenarien.

"Viele OS-Pakete sind nicht lizenzkonform"

Der Einsatz von Open-Source bietet aber nicht nur Vorteile, sondern birgt auch Risiken - oft selbst verschuldete. Und auf einige kam Gastredner Karsten Reincke von der Deutschen Telekom zu sprechen. Viele Unternehmen binden in ihre Software-Pakete, die OS-Produkte enthalten, die OS-Lizenzen nicht vollumfänglich ein, sondern verlinken stattdessen darauf. Performance- und Verfügbarkeitsgründe spielen dabei eine Rolle. In Folge "sind viele OS-Pakete nicht lizenzkonform und werden nicht lizenzkonform an Kunden weiter gegeben", warnt Reincke und gibt ein Beispiel. Samsung setzt Open-Source-Lösungen ein und verkauft seine Smartphones an die Swisscom oder die Deutsche Telekom, die wiederum die Handys an ihre Kunden weiterverkaufen. Jeder Vendor aber sei verpflichtet , die OS-Lizenzen gegenüber seinen Kunden zu erfüllen. In der Pflicht sind also im Beispiel die Telko-Anbieter Swisscom und Telekom. Zwar versuchte Reincke, die Gemüter zu beruhigen: Das Risiko für Endkunden, verklagt zu werden, sei nicht gross. ABer ganz auszuschliessen ist es offensichtlich auch nicht. Aus welchem Grund würde sonst der OS-Anbieter Red Hat Open-Source-Versicherungen ausgeben?


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